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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Kopf geknallt gefühlt oder so.«
    »Gut, ist also beantwortet«, sagte Prinzing ungeduldig, »aus freien Stücken …«
    »Nicht aus freien Stücken, sondern angesichts der Situation und der Entschlossenheit der Bundesanwaltschaft, uns zu vernichten.«
    Nach der Schilderung seiner Gründe für die Wiederaufnahme des Hungerstreiks war Grashof als erster RAF -Gefangener bereit, auch Fragen des Gerichts und der Bundesanwaltschaft zu beantworten. Oberstaatsanwalt Zeis hielt ihm Zitate aus seinem Brief an Baader vor: »›Dann drohst Du wie ein Bulle, original mit zwanzig Jahren, mehr nicht. Oder sich den Strick zu nehmen. Das höre ich ja nicht zum ersten Mal, mein Lieber.‹« An anderer Stelle: »›Am Schluß dann der Hammer: Von uns hast Du nichts mehr zu erwarten, es sei denn, Du begreifst es als Befehl.‹ Okay, ich begriff es als Befehl … und begann den Streik wieder am Freitag früh …«
    Eine weitere Stelle: »›Mit den Sanktionen, raus aus Info, Mandate abgeben, raus aus RAF , drinnen, draußen für Euch gestorben, bin ich einverstanden.‹«
    Der Bundesanwalt fragte Grashof: »Wollen Sie nach diesem Vorhalt, in dem Sie selbst von ›Sanktionen‹ sprechen, weiterhin aufrechterhalten, daß keine Sanktionen gegen Sie stattgefunden haben?«
    »Natürlich«, sagte Grashof. »Ich habe vorhin erklärt, wir haben den Hungerstreik als Gefecht bestimmt, als äußerste Defensive, als eine existentielle Entscheidung. Natürlich wie jeder Kampf auf Leben und Tod, das ist vollkommen klar. In jeder Aktion im bewaffneten Kampf kann man eben sterben.«
    Der Vorsitzende fiel ihm ins Wort: »Also Sie bestätigen, daß Sanktionen angedroht worden sind.«
    »Nein«, widersprach Grashof.
    »Anders kann man Ihre Antwort bis jetzt nicht verstehen …«
    »Es geht darum, daß Sie hier eine autoritäre Struktur behaupten, also in der Art, daß jemand, der nicht mehr kämpft, entweder liquidiert wird oder sich selbst liquidiert.«
    Oberstaatsanwalt Zeis holte einen weiteren der bei Zellenrazzien beschlagnahmten Briefe hervor: »Es kommt dann die Selbstkritik von Ihnen …« Der Bundesanwalt zitierte: »›Ich antworte Euch. Statt Ehre möchte ich den Begriff Selbstachtung setzen. Das Gegenteil davon ist Feigheit. Feigheit vor dem Feind. Das aber genau ist die richtige, exakte Definition meines Verhaltens. Soweit ich weiß, wird dieses Problem in regulären Armeen mit der Todesstrafe bestraft … und in Guerilla-Armeen mit dem Ausstoß und der politischen Ächtung. Habt Ihr die letzte Form der Sanktion …‹« Beim Vorlesen betonte Zeis das Wort »Sanktion«.
    Er senkte das Papier und sprach Grashof an: »Bleiben Sie immer noch dabei, daß keine Sanktionen gegen Sie stattgefunden haben?«
    »Ich habe doch meine wirklich ausgeflippte Situation erklärt, damals, nachdem ich aufgehört hatte. Ich hatte mein Bewußtsein vollständig verloren, sonst hätte ich ja nicht aufgehört. Sicher ist, daß in diesen Schreiben alle Begriffe schwimmen, natürlich unheimlich viel Falsches da drin ist.«
    Ungeduldig sagte der Vorsitzende: »Was Sie jetzt im Augenblick tun, ist eine zusätzliche Selbstkritik …«
    Grashof fuhr ihn an: »Ach, du Affe, hast doch keine Ahnung von Selbstkritik und Kritik …«

18. »Holger, der Kampf geht weiter!«
    Einen Ansturm von Trauergästen wie bei Holger Meins’ Beerdigung hatte es auf dem kleinen Hamburger Friedhof noch nicht gegeben. Manche Bürger wollten nicht, daß der Terrorist neben ihren Angehörigen beigesetzt wurde. Jeden Tag, wenn der Vater des Toten in der Zeit nach der Bestattung das Grab besuchte, waren die Kränze und Blumen in der Umgebung verstreut. Vater Wilhelm Meins legte sie auf die Grabstätte zurück. Eines Tages fand er einen Zettel neben dem Grabstein seines Sohnes: »Sie werden ihn nicht mehr wiederfinden. Er wird an einem Baum aufgehängt, dann wird er endlich wirklich sterben.« Wilhelm Meins erhielt für zehn Tage Polizeischutz. Dann sagte man ihm, es gebe keine Möglichkeit mehr, ihn und das Grab zu schützen.
    Wilhelm Meins ließ in dreiviertel Metern Tiefe eine Betondecke über den Sarg ziehen: »Damit sie ihn nicht rausholen können.«
     
    Am Tag nach der Beerdigung von Holger Meins machte die »Bild«-Zeitung mit der Schlagzeile auf: »Rache! schrien 2000 in Hamburg am Grab von Holger Meins«.
    »Der Baader-Meinhof-Terrorist Holger Meins ist gestern früh beerdigt worden … Die letzte Ruhe fand er nicht: Mehr als 2000 Kommunisten schrien ›Rache!‹ Gespenstisch

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