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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Schnauze zu halten hätten. Das ist genau der Ton, den sie ihren dort sitzenden Anwälten gegenüber außerhalb der Hauptverhandlung, nachweisbar, wiederholt angeschlagen haben. Sie haben sie – jedenfalls schriftlich – immer wieder als Schweine, Säue, Arschlöcher, Lappen und abgefuckte Jungs bezeichnet. Das können sich die Anwälte des Vertrauens, nicht aber die Pflichtverteidiger bieten lassen.«
    Rupert von Plottnitz meldete sich zu Wort: »Ob ein Mandant uns als Arschloch, Lappen oder dergleichen bezeichnet oder wir einen Mandanten mit ähnlichen Ausdrücken belegen, sei es innerhalb oder außerhalb der Verhandlung, das geht nur uns und unsere Mandanten was an. Das geht keinen Bundesanwalt was an, und das geht auch kein Gericht was an, um das hier erst mal klipp und klar festzustellen.«
    Rechtsanwalt Schily ergriff das Wort. Die Auseinandersetzungen in diesem Verfahren, so lächerlich sie auch wirkten, zeigten, daß es sich letztlich um einen politischen Prozeß handele. Das würde allein die Bundesanwaltschaft in dem Verfahren jeden Tag unter Beweis stellen: »Mit jeder Maßnahme, die Sie treffen, und mit jedem Gesetz, das Sie eigens für diesen Prozeß schaffen. Und wenn Sie da immer weiter die Linie zurückdrängen, sind wir ja noch nicht an den Grenzen des Rechtsstaates angelangt. Ich weiß ja gar nicht mehr, in welchem Niemandsland wir da eigentlich landen sollen.«
    »Sie sind am Ende, wie mir scheint«, sagte der Vorsitzende. Die Zuschauer im Saal lachten.
     
    Am Nachmittag verlas Theodor Prinzing die Ablehnungsbegründung für den Antrag auf Entpflichtung der vom Gericht bestellten Anwälte: »Es sind Verteidiger, deren Qualifikation außer Zweifel steht. Und wir meinen, daß es hoch anzuerkennen ist, daß sich diese Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege trotz der zu erwartenden und nun auch eingetretenen Angriffe ihrer Berufspflicht entsprechend bereit gefunden haben, Pflichtverteidiger in diesem Verfahren zu sein.«
    Andreas Baader meldete sich: »Ich habe nun gerade festgestellt, daß einer dieser qualifizierten Verteidiger eingeschlafen war, wie schon häufiger in dem Verfahren.«
    »Herr Baader, sind Sie sich dessen sicher, was Sie gerade sagen?« fragte der Vorsitzende.
    »Ja, man kann das beobachten. Er sitzt in der zweiten Reihe, es ist der zweite von links.«
    Das Publikum im Saal brach in schallendes Gelächter aus und wurde augenblicklich von Prinzing gerügt: »Wir haben nichts dagegen, daß Sie innerlich am Verfahren Anteil nehmen, aber Sie haben nur das Recht zuzuhören. Wir wollen weder Beifalls- noch Mißfallensausbrüche hier haben von seiten des Publikums. Bitte richten Sie sich danach.«
     
    Am Nachmittag dieses Verhandlungstages erhielt der Angeklagte Andreas Baader noch einmal das Wort.
    »Wir akzeptieren selbstverständlich die Gesetze des bürgerlichen Staates und des Kapitals nicht, aber wenn Sie damit Fußball spielen, wer soll sie denn überhaupt noch ernst nehmen? Wir beharren auf der juristischen Widerspruchsebene, weil es wichtig ist, genau an ihr die Zersetzung des gesamten ideologischen Begründungszusammenhanges des bürgerlichen Rechtsstaats zu vermitteln.
    Hier liegt auch der Grund, warum wir um Wahlverteidiger kämpfen, obwohl sie praktisch gegenüber diesem Senat keine Interventionsmöglichkeit haben und selbstverständlich an der Verurteilung nichts ändern werden.«

4. »Die Akten sind alle«
    ( 4 . Tag, 11 . Juni 1975 )
    Am vierten Verhandlungstag hatte Andreas Baader einen Verteidiger seines Vertrauens. Rechtsanwalt Dr. Hans Heinz Heldmann aus Darmstadt hatte das Mandat übernommen. Gleich zu Beginn stellte Heldmann den Antrag, den Prozeß für zehn Tage zu unterbrechen, damit er vorbereitende Gespräche mit seinem Mandanten führen und sich in die umfangreiche Prozeßmaterie einarbeiten könne.
    Als nächstes bemängelte der Rechtsanwalt, daß er bisher weder eine Anklageschrift noch die übrigen Prozeßakten erhalten habe. Daraufhin schlug ihm der Richter vor, sich diese doch von seinen ausgeschlossenen Kollegen zu besorgen. Bundesanwalt Dr. Wunder stellte bedauernd fest: »Hier sind auch keine Exemplare mehr vorhanden, und da gibt es leider keinen anderen Weg, als Herrn Rechtsanwalt Heldmann jetzt schon an die übrigen Kollegen zu verweisen. Ich glaube sicher, die werden ihm hier unter die Arme greifen.«
    »Herr Vorsitzender, ist dem Senat beziehungsweise der Bundesanwaltschaft eigentlich bewußt, was sich hier im Moment abspielt?« fragte

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