Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
hiermit an, daß Sie ausgeschlossen werden müssen, wenn Sie dieses störende Verhalten fortsetzen.«
»Was heißt hier fortsetzen, verdammt noch mal«, brüllte Baader.
Als nun erneut einer der »Zwangsverteidiger« das Wort ergriff, begannen die Angeklagten zu randalieren. Sie standen auf und konnten nur durch das handfeste Zugreifen der Vollzugsbeamten daran gehindert werden, den Sitzungssaal zu verlassen.
Richter Prinzing erklärte: »Ich stelle fest, daß die Angeklagten ihr Verhalten fortgesetzt haben!«
»Das ist klar, daß wir rausgehen«, schrie Gudrun Ensslin.
Baader griff den Vorsitzenden an: »Sie sind doch wirklich ein Schwein, Prinzing. Sie sehen doch, in was für einem Zustand wir hier sind.«
Um 16 . 11 Uhr wurden Baader, Ensslin, Meinhof und Raspe von Justizbeamten abgeführt.
Der Vollzugsbeamte Bubeck legte Baader die Hand auf die Schulter: »Machen Sie keinen Ärger. Es bringt doch nichts. Sie müssen doch raus.«
Baader schüttelte die Hand ab: »Machen Sie das nie wieder. Denken Sie an Ihre Frau und Ihre Kinder.«
Als sie den Sitzungssaal verlassen hatten, sagte der Justizbeamte: »Sie können sich die Drohung mit den Kindern ersparen. Ich habe keine Kinder. Im übrigen finde ich das billig, was Sie hier machen. Sie wissen genau, daß wir das machen müssen.«
Baader, der vorher laut und erregt war, schaltete plötzlich um: »So hab ich das gar nicht gemeint. Ich wollte sagen, Sie sollen an Ihre Frau und Ihre Kinder denken, damit Sie nicht in den Ruf eines Sympathisanten kommen und Ihren Beruf verlieren, wenn Sie mir hier freundschaftlich die Hand auf die Schulter legen.«
6. Baader versucht, sich verständlich zu machen
( 6 . Tag, 18 . Juni 1975 )
Allmählich wurde die Frage der Verhandlungsunfähigkeit und damit die Frage der Haftbedingungen zum beherrschenden Thema des Verfahrens. Die Angeklagten durften wieder im Sitzungssaal erscheinen, und Andreas Baader gab als Sprecher der Gruppe seine politische Einschätzung der Haftbedingungen und der politischen Zielrichtung der »Isolationsfolter« zu Protokoll.
Er verlas ein Papier, das an Unverständlichkeit nichts zu wünschen übrigließ: »Das Grundproblem ist auch in diesem Detail des Antagonismus, daß Umerziehung oder Gehirnwäsche als Projekt Legitimation vom Apparat verlangt. Das heißt, um es zu unterwerfen, muß der Apparat das Subjekt konstituieren können. Sache zwischen repressivem Staatsapparat und gefangenem Revolutionär ist aber, daß beide wissen, daß sie in ihrer Unversöhnlichkeit wie ihrer Beziehung Ausdruck der Reife der Entwicklung sind, in der der Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnis antagonistisch wird zur letzten Krise des Kapitals und damit Ausdruck der Tendenz, in der die Legitimation des bürgerlichen Staates zerfallen ist.«
Der Vorsitzende entzog Baader das Wort.
Ulrike Meinhof meldete sich: »Ich erkläre, daß ich verhandlungsunfähig bin. Also, daß ich hier maximal, das war sehr hoch gegriffen, dem, was hier abläuft, folgen kann. Und daß ich natürlich fast überhaupt nicht in der Lage bin, in dem Moment, an der Stelle, wo unbedingt was zu sagen wäre, ich was sagen will, sprechen könnte. Die Zwecke, die mit der Isolation verfolgt werden, sind natürlich nicht wirkungslos geblieben. Und das, womit wir zu kämpfen haben an Assoziationsschwierigkeiten, ist natürlich ungeheuer. Völlig absurd, völlig absurd zu glauben, diese drei Jahre wären an irgendeinem von uns spurlos vorbeigegangen. Ich beantrage also, einfach weil es notwendig und nötig ist, für mich und jeden von uns hier eine ärztliche Untersuchung, und zwar von einem Arzt von draußen.«
Weiterhin beantragte Ulrike Meinhof, nur noch höchstens zwei bis drei Stunden am Tag zu verhandeln.
Die Anträge wurden abgelehnt.
7. Die Anrede »Herr« und NS -Analogien
( 13 . Tag, 3 . Juli 1975 )
Dr. Prinzing versuchte erneut, mit der Vernehmung zur Person zu beginnen, vergeblich. Diesmal meldete sich der Angeklagte Jan-Carl Raspe zu Wort und erklärte, er lehne »Prinzing und den Senat wegen Befangenheit ab«. Es war in diesem Verfahren nicht der erste Ablehnungsantrag, und es sollte auch nicht der letzte bleiben. Der Vorsitzende reagierte verärgert und biß sich an Kleinigkeiten fest. »Herr Raspe, um Sie von vornherein darauf hinzuweisen. Ich sagte Ihnen, die beharrliche Verweigerung der Anrede ›Herr‹ in diesem Gerichtssaale wird als Beleidigung verstanden werden müssen. Bitte gewöhnen
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