Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Zusätzlich hatte das Gericht eine Reihe von Pflichtverteidigern aufgeboten, die nicht das Vertrauen der Angeklagten besaßen, um für den Fall des freiwilligen oder unfreiwilligen Ausscheidens eines der Wahlverteidiger den ordnungsgemäßen Fortgang des Prozesses zu gewährleisten.
Die Angeklagte Ulrike Meinhof meldete sich zu Wort. Es ging um die vom Gericht bestellten Pflichtverteidiger, die sogenannten Zwangsverteidiger: »Keiner von denen hat im geringsten das Recht …«
Der Vorsitzende unterbrach sie: »Halt. Es läuft nicht über Band. Frau Meinhof, entschuldigen Sie bitte, es läuft nicht auf Band. Wir müssen’s ja aufs Protokoll bekommen. Es ist nicht meine Schuld.«
»Lassen Sie mich mal ausreden!«
Baader griff ein: »Ja, was sollen denn diese Mätzchen hier!«
»Ja, Herr Baader«, rief Prinzing dazwischen, »ich glaube, Frau Meinhof ist Manns genug, ihre Erklärungen selbst abzugeben.«
»Laß uns reden!« rief Ulrike Meinhof.
Baader wandte sich an den Vorsitzenden: »Das ist doch nicht Ihr Problem.«
Dr. Prinzing reagierte ungehalten: »Ist das eine Kollektivverteidigung, wenn Sie hier nun kollektiv durcheinanderreden?«
»Aber nun hören Sie doch mit Ihren dummen Witzen auf«, sagte Baader.
Prinzing entzog Baader das Wort.
»Hör doch mal auf mit dem Unterbrechen!« rief Ulrike Meinhof dazwischen. »Laß uns doch mal ausreden!«
»Sie haben doch zwei Methoden«, sagte Baader, »Sie unterbrechen uns auf der einen Seite, oder Sie manipulieren uns mit Ihrer Aufnahmeanlage.«
»Gewiß«, bestätigte der Vorsitzende in ironischem Ton, »mit der Technik machen wir’s unmöglich, daß Sie Erklärungen abgeben können.«
Dann konnte Ulrike Meinhof zur Sache kommen: »Sie sind uns aufgezwungen worden, Staatsschutzverteidiger, die sich in einem Abhängigkeitsverhältnis von der Bundesanwaltschaft befinden, bei denen bei jeder Äußerung davon auszugehen ist, daß sie gegen uns gerichtet ist … Außerdem ist zu protokollieren, daß die Manipulation an diesen Mikrophonen darauf schließen läßt, daß sie deswegen vorgenommen worden ist, um das, was wir hier sprechen, abzuhören.«
»Ja, was soll denn in einer öffentlichen Verhandlung für ein Interesse bestehen, abzuhören?« fragte der Vorsitzende.
»Es ist festzustellen«, sagte Baader, »daß die Mikrophone so geschaltet sind, daß sie auch die Kommunikation zwischen den Verteidigern und den Gefangenen aufnehmen, ja sozusagen die nichtöffentliche.«
Das hielt Prinzing für einen Irrtum.
Baader erklärte dem Gerichtsvorsitzenden, daß schließlich die Schalter an den Mikrophonen auf der Anklagebank zugeklebt worden seien. »Die Einrichtung ist wirklich perfekt«, sagte Baader. Im übrigen habe jemand »Kopf ab« neben sein Mikrophon geschrieben.
»Was war mit dem Kopf?« fragte der Vorsitzende.
»Ich habe gerade entdeckt, daß jemand neben das Mikrophon geschrieben hat: ›Kopf ab‹. Was fällt Ihnen dazu ein?«
»Das ist mir zu dunkel, dieser Sinn. Ich weiß nicht, was Sie damit wollen.«
2. Baader ohne Verteidiger
( 2 . Tag, 5 . Juni 1975 )
Zügig wollte Dr. Prinzing mit der Vernehmung zur Person beginnen. Aber Andreas Baader meldete sich zu Wort: »Das kann Ihnen ja nicht entgangen sein, daß ich keinen Verteidiger habe, bisher. Wir hatten nicht vor, auf die juristische Verpackung dieser Veranstaltung hier überhaupt einzugehen. Es ist auch unmöglich, sich in einem Verfahren auf Verteidigung einzulassen, für das permanent und kontinuierlich Gesetze geändert werden und wo der legislative Ablauf nicht nachkommt, gebeugt beziehungsweise von der Bundesanwaltschaft lächerlich gemacht wird.«
Das Verfahren sei ein Lehrstück, in dem die Richtigkeit der RAF -Analyse bewiesen werde. Jetzt sitze er auch noch ohne Verteidiger da. »Es ist sehr schwierig geworden, einen Verteidiger zu finden«, fügte Baader hinzu. »Es war in der Woche, die Sie mir Zeit gegeben haben, nicht möglich.« Gespräche mit Anwälten, die für eine Verteidigung in Frage gekommen wären, hätten nur unter Überwachung geführt werden dürfen. »Es war also auch objektiv nicht möglich, rauszufinden, ob es einen Verteidiger gibt, der die Verfolgung auf sich nimmt, die die Bundesanwaltschaft und das Bundeskriminalamt mit meinem Mandat offenbar verbindet.« Baader beantragte, die Verhandlung zu unterbrechen, bis er einen Verteidiger gefunden habe und ihm nicht überwachte Gespräche mit Rechtsanwälten genehmigt würden. Dieses sei eine Bedingung. Drei
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