Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Hafterleichterung zu erhalten.«
»Können Sie das vielleicht noch etwas konkretisieren?«
»Größeren Zusammenschluß«, sagte Henck, »mehr Hofgang, eine verbesserte Kommunikation.«
Heldmann erkundigte sich: »Die Aufhebung der Isolation wäre zu jenem Zeitpunkt das Mittel der Wahl gewesen. Hatte ich Sie da richtig verstanden?«
»Das ist das Ziel des Eßstreiks wohl gewesen, des Durststreiks«, antwortete der Arzt.
»Und der wäre sicherlich, wenn also andere Haftbedingungen, erleichterte Haftbedingungen geschaffen worden wären, vielleicht auch schon früher abgebrochen worden?«
Das ging dem Vorsitzenden nun aber zu weit: »Ich bin überzeugt, Herr Rechtsanwalt, wenn die Frage so gestellt worden wäre, ob nicht auch die Haftentlassung aus medizinischer Sicht das geeignetere Mittel gewesen wäre, um die Lebensgefahr durch den Hungerstreik zu vermindern …«
Schily unterbrach: »Sie machen sich da was zu eigen, was wirklich in einer lügenhaften Form in vielen Medien propagiert worden ist, daß nämlich mit dem Hungerstreik die Haftentlassung erreicht werden soll. Wir haben, ich weiß nicht, in wie vielen Pressekonferenzen, immer wieder erklärt, der Hungerstreik ist von einem Tag auf den anderen zu Ende, wenn die Isolation aufgehoben wird. Und es ist nie, aber auch nie erklärt worden, daß der Hungerstreik dazu dient, die Haftentlassung zu erreichen.«
»Verzeihen Sie«, sagte Prinzing, »Sie engagieren sich jetzt.«
»Ja, ich engagiere mich jetzt.«
»Aber umsonst«, bemerkte der Vorsitzende.
»Weil es mir um die Wahrheit zu tun ist«, sagte Otto Schily.
»Ja, mir auch.«
Nach einigem Hin und Her ergriff Baader selbst das Wort und befragte den Sachverständigen: »Also schön, Herr Henck, Sie haben gesagt, es sei richtig, daß mildere Haftbedingungen zu besserem Befinden führen.«
»Ja«, bestätigte der Anstaltsarzt.
»Würden Sie auch sagen, daß man diesen Satz umdrehen kann?«
»Die Frage habe ich nicht verstanden«, erwiderte Dr. Henck.
Baader fragte noch einmal: »Ist es möglich, daß man den Satz, den Sie gesagt haben, daß mildere Haftbedingungen zu besserem Befinden führen, auch umkehren kann. Insofern, daß besonders verschärfte Haftbedingungen zu einer Zerstörung der Gesundheit der Gefangenen führen?«
Endlich hatte Baader den Gefängnisarzt dort, wo er ihn haben wollte. »Das versteht sich von selbst«, bestätigte Henck.
Baader bohrte weiter: »Und dann wollte ich Sie fragen, ob Sie in Ihrer Praxis, in Ihrer Erfahrung als Gefängnisarzt in zwanzig Jahren, eine ähnliche Unterbringung von Gefangenen irgendwo beobachtet oder erlebt haben wie dieser Gefangenen in Stuttgart im siebten Stock.«
»Ist mir nicht bekannt. Nein«, sagte Henck.
Trotzdem stellte der Gefängnisarzt die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten fest.
Nach einer einstündigen Unterbrechung sollte der Prozeß gegen 16 . 00 Uhr fortgesetzt werden. Aber die Angeklagten fühlten sich nicht mehr fähig, der Verhandlung zu folgen. Obwohl die Mikrophone abgestellt waren, versuchten Baader und Raspe, dem Vorsitzenden zu erklären, daß sie nun den Gerichtssaal zu verlassen wünschten.
»Herr Baader und Herr Raspe, ob Sie rausgehen, können Sie nicht bestimmen«, erklärte der Vorsitzende und gab ihnen gleich noch einen Rat: »Sie wissen ganz genau, wie die Mittel sind, Sie müssen halt entsprechend gestört haben.«
Baader fragte: »Was wollen Sie denn? Daß wir hier Krach machen sollen?« Baader stand auf.
»Es stört mich nicht, wenn Sie hier stehen«, sagte Prinzing.
Baader warf krachend einen Gegenstand auf sein Sprechpult. Dann schrie er: »Verdammt noch mal, ich will raus hier!«
Bundesanwalt Widera fragte: »Herr Baader, gefallen Sie sich in dieser Rolle?«
Die Angeklagten schrien unverständlich durcheinander.
»Was soll denn das hier, Herr Vorsitzender?« mischte sich einer der »Zwangsverteidiger« ein.
»Wenn einer von denen redet, gehen wir«, drohte Jan-Carl Raspe.
Und Baader fügte hinzu: »Sollen wir uns hier schinden lassen, weil Sie uns nicht ausschließen wollen, wenn diese Arschlöcher da drüben reden. Dann schließen Sie uns doch aus.«
»Ich stelle fest«, sagte der Vorsitzende, »daß die Angeklagten eben die Pflichtverteidiger mit …«
Raspe vervollständigte den Satz: »… als Arschlöcher bezeichnet haben.«
Der Vorsitzende wiederholte: »… Arschlöcher bezeichnet haben, daß Sie sich hier lautstörend benehmen, was aus den Protokollen hervorgeht. Ich drohe Ihnen
Weitere Kostenlose Bücher