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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Jahre lang habe die Anklagebehörde jedes Wort zur Verteidigung kontrolliert, mit Durchsuchungen der Zellen und der Anwaltskanzleien, durch Beschlagnahme der Post. Und wörtlich fügte Baader hinzu: »Durch Abhörgeräte in den Besuchszellen für Verteidigerbesuche, von denen wir seit Sommer ’ 73 wissen.«
     
    Die Bemerkung Baaders, Gespräche der Angeklagten mit ihren Anwälten seien abgehört worden, führte in der Öffentlichkeit lediglich zu Kopfschütteln. Die Presse konnte sich nicht vorstellen, daß Behörden der Bundesrepublik Deutschland mit Hilfe von »Wanzen« und Tonbandgeräten in das streng geschützte Vertrauensverhältnis zwischen Verteidigern und Angeklagten eingreifen würden. Andreas Baaders Bemerkung wurde allgemein als Ausdruck des paranoiden Wahns der Baader-Meinhof-Gruppe betrachtet. Tatsächlich hatte Baader nicht so unrecht.
    Das aber kam erst zwei Jahre später heraus.

3. Die »Zwangsverteidiger«
    ( 3 . Tag, 10 . Juni 1975 )
    Auch am dritten Verhandlungstag hatte Andreas Baader keinen Verteidiger seiner Wahl. Die vom Gericht verordneten Pflichtverteidiger saßen stumm auf ihren Plätzen. Die Angeklagten weigerten sich strikt, mit den »Zwangsverteidigern« zu sprechen. Die Prozeßatmosphäre wurde von Stunde zu Stunde gespannter. Zu allem Überfluß hatte der Vorsitzende Richter dem Angeklagten Baader nicht mehr als eine Dreiviertelstunde Zeit für das Gespräch mit dem Frankfurter Rechtsanwalt Dr. Heldmann zugebilligt, der trotz allem bereit war, die Verteidigung Baaders zu übernehmen.
    Die Bundesanwaltschaft meinte, daß Baader mit den zwei Pflichtverteidigern, die ihm »einmal aus Fürsorgegründen und zum anderen auch zur Sicherung des Verfahrens beigefügt wurden«, gut verteidigt sei. »Wenn er sich dieser Herren nicht bedienen will, ist es seine Sache.«
    »Na ja, dazu habe ich nochmals festzustellen und immer wieder festzustellen, daß diese Verteidiger dort drüben mich nicht verteidigen können. Mich nicht vertreten, mit mir nie gesprochen haben und mich auch nie sprechen werden«, sagte Andreas Baader.
    Endlich wollte der Vorsitzende mit der Vernehmung zur Person beginnen. Er kam nicht dazu. Rechtsanwältin Becker verlas statt dessen einen Antrag, die »Zwangsverteidiger« zu entpflichten. Sie hätten allein die Funktion, als Verteidiger des Vertrauens der Bundesanwaltschaft und des Gerichtes den reibungslosen Ablauf des Verfahrens als »Marionetten in dem bis ins Detail vorprogrammierten Schauprozeß imperialistischer Staatsmacht zu sichern«.
    Der Vorsitzende forderte einen der abgelehnten Pflichtverteidiger, den Rechtsanwalt Linke, zu einer Stellungnahme auf. Linke sagte: »Die geliebten Verteidiger, ja, das ist Linke, die …«
    Baader rief dazwischen: »Halt die Schnauze, Linke.«
    Prinzing griff ein: »Herr Baader, noch ein paar solcher Bemerkungen, und das würde zu Maßnahmen zwingen, die wir gar nicht wünschen. Wir wollen ja, daß Sie hier bei der Verhandlung dabei sind.« Die Angeklagten und ihre Verteidiger schrien dazwischen. Der »Zwangsverteidiger« Künzel meldete sich: »Die Art und Weise des Vortrags und die Behauptungen, die hier aufgestellt werden, zwingen mich, nun doch noch aus standesrechtlichen Gründen einige Bemerkungen zu machen.«
    Gudrun Ensslin unterbrach ihn: »Du sprichst nicht für mich!«
    »Ich spreche nicht zur Frau Ensslin, in gar keiner Weise, weil ich sie …«
    Baader brüllte: »Sie haben einfach die Fresse zu halten!«
    »Herr Baader, ich glaube nicht, daß Sie im Augenblick das Wort haben«, bemerkte der Vorsitzende.
    »Herr Baader, mit Ihnen unterhalte ich mich im Augenblick doch gar nicht«, sagte Künzel.
    Vergeblich mühte sich der Vorsitzende ab, Ruhe herzustellen. Gudrun Ensslin, der das Mikrophon abgeschaltet worden war, versuchte sich bemerkbar zu machen.
    »Frau Ensslin, Augenblick, Frau Ensslin …«, rief Prinzing.
    »Quatschen Sie nichts weg«, schrie Gudrun Ensslin.
    »Ich will nichts wegquatschen. Aber Tatsache ist, daß Sie niemand anders reden lassen wollen. Möglicherweise jemand, der nur andere Ansichten vertritt. Dann hören Sie doch einmal in Ruhe zu. Dann können Sie sich dazu äußern.«
    Die Zuhörer im Saal begannen jetzt ebenfalls zu schreien. Prinzing wies Baader zurecht: »Ich bin befugt, Ihnen zu sagen, daß das Gericht bei solch einem Verhalten gezwungen sein könnte, die Verhandlung zunächst mal ohne Sie fortzusetzen. Das wäre uns sehr unlieb.«
    Baader redete weiter. Seine Worte waren nicht zu

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