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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Sie sich an diese Form, damit Sie unbeanstandet reden können.«
    Raspe begründete seinen Ablehnungsantrag damit, daß der Richter sich permanent weigere, unabhängige Ärzte zur Feststellung der Verhandlungsunfähigkeit der Gefangenen zuzulassen. Er entlarve sich dadurch als Marionette der Bundesanwaltschaft. Mit der Zulassung unabhängiger Ärzte würde die Tatsache der Folter, die Vernichtungsstrategie des Staates gegen politische Gefangene, gegen die Guerilla, gegen die RAF offensichtlich. Für ihn, die Bundesanwaltschaft und den Staatsschutz sei das Sicherheitsbedürfnis erst dann erfüllt, wenn die politischen Gefangenen tot seien.
    »Es ist unmöglich, die Analogie zur Justiz des ›Dritten Reiches‹ nicht zu sehen«, erklärte Raspe. »Dieser Richter ist in seiner Argumentation, in seinen Lügen, in seiner Methode ein Muster der Sorte richterlicher Unabhängigkeit, die nach 1945 massenhaft auftrat und von ihren Opfern nichts gewußt hatte.«
    »Ich höre mir das nicht mehr länger an«, sagte der Vorsitzende. »Also mäßigen Sie sich bitte in Ihren Formulierungen. Der Vergleich mit der Justiz des ›Dritten Reiches‹ wird hier nicht hingenommen.«
    »Vielleicht kommen Sie mal auf die Idee, was für eine Beleidigung die Tatsache, daß Sie auf diesem Stuhle sitzen, für uns darstellt«, entgegnete Raspe.
    Der Ablehnungsantrag gegen den Senat wurde zurückgewiesen.

8. Die Gefährlichkeit der Angeklagten
    ( 16 . Tag, 10 . Juli 1975 )
    Selbstverständlich war die Bundesanwaltschaft in bezug auf die Haftbedingungen ganz anderer Ansicht als die Angeklagten und ihre Verteidiger: »Entgegen Ihrem wiederholten Vorbringen sind die Angeklagten nicht isoliert.« Andreas Baader stehe eine Doppelzelle mit einer Grundfläche von zwanzig Quadratmetern zur Verfügung. Lediglich durch das Magazin von dieser Zelle getrennt, befinde sich daneben die Zelle des Angeklagten Raspe mit einer Größe von zehn Quadratmetern. Diese räumliche Anordnung ermögliche den beiden einen ständigen Sprechkontakt. Von dieser Möglichkeit machten sie regelmäßig, teils bis in die tiefe Nacht hinein, Gebrauch.
    Auch die Angeklagten Ensslin und Meinhof, so meinte die Bundesanwaltschaft, könnten sich so verständigen. »Die Ausstattung dieser Zellen vermittelt durchaus eher den Eindruck einer Wohnung als einer Haftzelle. In den Zellen haben die Angeklagten, im Gegensatz zu anderen Gefangenen, ständig Radiogeräte und Plattenspieler zur uneingeschränkten Verfügung. Darüber hinaus benutzen sie in ihren Zellen in ungewöhnlichem Umfang Zeitungen, Zeitschriften und Bücher.«
    »Was hat das mit der Isolation zu tun?« fragte Baader.
    Die Bundesanwaltschaft bestätigte, daß die Angeklagten an keiner Gemeinschaftsveranstaltung, an keinem Gemeinschaftsgottesdienst, den es für Frauen ohnehin in Stammheim nicht gab, teilnehmen könnten. Dieses sei aber wegen der besonderen Gefährlichkeit der Angeklagten unabdingbar.
    Als Beweis dafür verlas Regierungsdirektor Widera einen Befreiungsplan, den Andreas Baader in der Haftanstalt Schwalmstadt geschrieben und nach draußen geschmuggelt habe: »Am besten, Ihr schafft mir vier bis fünf Kilogramm Sprengstoff rein, Stück Zündschnur, zwei Kapseln. Die Menge müßt Ihr durch Versuche schätzen, an irgendwelchen alten Gemäuern, Burgen oder so. Gibt’s ja genug, die einsam liegen.«
    In dem Plan seien noch mehrere Versionen für einen Ausbruch durchgespielt worden. Oberstaatsanwalt Zeis stellte fest: »Daß die Angeklagten aus der Haft befreit werden wollen und sollen, ergibt sich unter anderem auch daraus, daß die Terroristen in Stockholm ihre Freilassung gefordert haben.«

9. »Herr Baader in der Rolle des Gequälten«
    ( 17 . Tag, 16 . Juli 1975 )
    Knapp eine Woche später antwortete Baader auf den Vortrag der Bundesanwaltschaft: »Die Argumentation läuft im Grund darauf raus, wir wären nicht isoliert, weil wir über etwas größere Zellen verfügten als andere Gefangene in Stuttgart-Stammheim. Ich stelle darum nochmals fest: Wir waren bis auf einen ganz kurzen Zeitraum während des Hungerstreiks, in dem je zwei von uns ein paar Stunden am Tag miteinander sprechen konnten, in den letzten drei Jahren vollständig innerhalb des Gefängnisses isoliert. Wenn Zeis dagegen anbringt, wir könnten – zum Beispiel Jan und ich – durch einen ein Zentimeter breiten Schlitz oben in der Tür Sprechkontakt haben, dann sagt er doch wirklich alles über sich. Immer wenn da gesprochen wird, steht jemand

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