Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
vor der Tür und schreibt mit, oder die Gespräche werden aufgenommen und ausgewertet. Ich will sagen, das sind Haftbedingungen, wie sie in dieser Dauer und Härte nicht mal der Staatsschutz des Dritten Reiches, in dessen Tradition die Bundesanwaltschaft hier sitzt und argumentiert, verfügen konnte.«
Das ging dem Vorsitzenden zu weit. Er entzog Baader das Wort. Dann zitierte er ein Urteil des Obersten Gerichtshofes der USA : »Unsere Gerichtshöfe, die das Paladium der Freiheit sind, dürfen nicht ungestraft respektlos behandelt werden. Es kann nicht geduldet werden, daß ein Angeklagter durch Störungen für unbegrenzte Zeit die Durchführung seines Verfahrens beeinträchtigt. Es würde unser Land und unser Gerichtssystem erniedrigen, wenn wir erlauben, daß unsere Gerichte tyrannisiert, beleidigt, erniedrigt werden und ein ordentliches Verfahren unmöglich gemacht wird.« Der Vorsitzende bat darum, an diese Worte zu denken, wenn er, wie es seine Pflicht sei, derartige Ausfälle der Angeklagten zu verhindern suche.
Rechtsanwalt Heldmann erwiderte, daß die Verteidigung sehr gern damit einverstanden wäre, wenn der Senat von nun an amerikanisches Recht anwende: »Sie selbst, Herr Vorsitzender, wissen wohl am besten, daß Sie dann dieses Verfahren sofort einzustellen hätten, wegen der öffentlichen Vorverurteilung, die sich durch Ihre Äußerungen hier im Gerichtssaal hinreichend dokumentiert.«
Heldmann protestierte dagegen, daß Andreas Baader das Wort entzogen worden war: »Diese Wortentziehung ist nicht erfolgt wegen Ungebühr vor Gericht, sondern diese Wortentziehung bedeutet die Zensur einer politischen Meinungsäußerung, die durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt und privilegiert ist.«
Für die RAF , so erklärte Baader, gelte überhaupt kein Recht. »Wir sollen vernichtet werden. Also nicht einmal Kriegsrecht. In diesem Verfahren wird sogar noch das Sonderrecht, das für die Bundesanwaltschaft und ihr Gericht hier geschaffen worden ist, gebrochen.«
Bundesanwalt Dr. Wunder schaltete sich ein: »Herrn Baader kommt die Rolle, sich zum Gequälten und zum Richter über die Justizorgane aufzuschwingen, nicht zu. Er sollte nicht vergessen, daß man ihn des mehrfachen Mordes angeklagt hat. Ob er in der Verhandlung überführt wird, werden die Sitzungen ergeben. Die Bundesanwaltschaft ist davon überzeugt. Gleichwohl merkt aber Herr Baader, daß die Bundesanwaltschaft ebenso wie das Gericht um besondere Objektivität bemüht ist.«
Die Angeklagten lachten, und der Bundesanwalt fuhr fort: »Im übrigen gibt es, trotz der Unschuldsvermutung, Herr Baader, für die Bundesanwaltschaft nicht die Pflicht, Sie etwa mit Glacéhandschuhen anzufassen.«
Die Mehrheit der Zuschauer klatschte Beifall.
10. »Ein normaler Straffall«
( 21 . Tag, 30 . Juli 1975 )
»Ja, nach unseren Vorstellungen sollte es langsam mit der Vernehmung zur Person weitergehen«, eröffnete Prinzing den 21 . Verhandlungstag. Ein Ablehnungsantrag der Angeklagten Meinhof, nach der Strafprozeßordnung vorrangig zu behandeln, machte ihm einen Strich durch die Rechnung.
In einer Sendung der ARD zum Auftakt des Baader-Meinhof-Prozesses hatte Richter Prinzing sinngemäß erklärt, der Prozeß gegen die vier Gefangenen sei kein politisches Verfahren, es handele sich vielmehr um einen »normalen Straffall«.
Zur Begründung ihres Ablehnungsantrages erklärte Ulrike Meinhof: »Dieser Prozeß ist der erste politische Prozeß in der Bundesrepublik seit 1945 . Die Bundesanwaltschaft und das Gericht sind nicht intelligent genug, im Objekt ihrer Vernichtungsmaßnahmen auch das Opfer zu sehen. Die Bundesanwaltschaft und das Gericht sehen nur den Feind, den sie erschlagen wollen. Darin zeigt sich auch die grundsätzlich andere Bestimmung unseres Kampfes. Wir können im Faschisten auch das Objekt seiner Umstände sehen und seines Apparates. Es sind nicht wir, die Fanatismus nötig haben, sondern Bundesanwaltschaft und Gericht sind fanatisch. Sie sind nie zu einer inhaltlichen Stellungnahme zu den Argumentationen von Andreas und von uns gekommen. Sie sind immer nur formalistisch.«
Am 2 . August 1975 wurde den im siebten Stock untergebrachten Gefangenen Baader, Raspe, Ensslin und Meinhof gestattet, den Hofgang gemeinsam durchzuführen und sich täglich für vier Stunden auf dem Flur zum »Umschluß« zu treffen. Baden war jetzt während der Woche täglich erlaubt, nach Geschlechtern getrennt auch gemeinsam. Die Sportgeräte im Trakt, ein
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