Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
elektrischen Drähte verbindet und so die Bombe scharf macht. Sie lud die Sprengkörper ein und fuhr nach Hamburg.«
26. »Die Guerilla ist eine Hydra«
( 126 . Tag, 14 . Juli 1976 )
Auf Antrag der Verteidigung war das RAF -Mitglied Brigitte Mohnhaupt geladen. Sie sollte die Aussagen des Zeugen Gerhard Müller über die angeblich autoritäre Struktur innerhalb der RAF widerlegen. Brigitte Mohnhaupt war damals 26 Jahre alt und vom Berliner Landgericht wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden.
»Waren Sie Mitglied der RAF , oder sind Sie es noch?« wollte der Vorsitzende Prinzing von Brigitte Mohnhaupt wissen.
»Ihnen und der Bundesanwaltschaft werde ich sowieso keine Fragen beantworten«, sagte die Zeugin. »Das wäre völlig absurd. Das Verhältnis zwischen uns, dem Gericht, der Justiz, der Bundesanwaltschaft ist der genaue Begriff ›Krieg‹. Ich werde nur die Fragen der Verteidigung beantworten.«
»Ich möchte jetzt in der Sitzung hier fortfahren, Frau Mohnhaupt, wie steht es mit den Aussagen?«
»Also, es gibt wirklich eine Sorte Dummheit, na ja, die grenzt schon fast an Obszönität.«
»Ich stelle keine weiteren Fragen mehr an Sie«, sagte der Vorsitzende und erteilte den Verteidigern das Wort.
Daraufhin begann Brigitte Mohnhaupt mit ihrer Aussage zur Struktur der Gruppe:
»Also, warum überhaupt einer von uns nach Ulrikes Tod hier noch hergekommen ist, daß wir es für notwendig halten, die tatsächliche Struktur der Gruppe transparent zu machen. Also, wie sie real war, nicht dieses Destillat der psychologischen Kriegführung, was Müller da behauptet, es sei praktisch eine faschistische Struktur gewesen. Die strategische Konzeption, die die RAF 1972 entwickelt hat, richtete sich gegen die militärische US -Präsenz in der Bundesrepublik. Die einzelnen taktischen und operativen Schritte dazu, der Angriff auf das CIA -Headquarter, der Angriff auf das Headquarter der US -Armee in Heidelberg und die geplante Entführung der drei Stadtkommandanten in Berlin, dieses Konzept ist im kollektiven Diskussionsprozeß von allen entwickelt worden.
Die RAF war damals organisiert in acht Gruppen in sechs Städten. Davon zwei starke Gruppen in zwei Städten. Die einzelnen Einheiten waren in das Logistiksystem integriert. Es gab einen Diskussionszusammenhang, aber die einzelnen Einheiten waren autonom in ihrer Entscheidung über operative Durchführung.«
Auch der Anschlag auf das Hamburger Springer-Haus sei die Aktion einer autonomen Gruppe gewesen. Die übrigen RAF -Mitglieder hätten nichts davon gewußt, ihn aber anderenfalls auch nicht verhindert.
»Die Behauptung, Ulrike hätte im Gegensatz zu Andreas oder Gudrun den Anschlag auf das Springer-Hochhaus gewollt und durchgeführt, also die Behauptung, es hätte eine Fraktionierung gegeben oder Kämpfe untereinander, Terror, was das Schwein da behauptet … Tatsache war, daß die Aktion in Hamburg durchgeführt wurde, daß Ulrike und wir auch davon nichts wußten. Aufgrund der ganzen Struktur gab es autonome Entscheidungen der Gruppen, autonome Durchführung von Aktionen. Nach der Aktion gegen Springer gab es eine starke Kritik in den einzelnen Gruppen, und daraufhin ist Ulrike nach Hamburg gefahren, um das zu ermitteln. Was Müller da behauptet, es hätte eine Fraktionierung gegeben, Ulrike hätte überhaupt die Absicht haben können, Aktionen gegen die anderen zu machen, ist also völlig irre. Das entspricht der Linie, die jetzt behauptet wird, daß es Spannungen gegeben hat. Das soll sowieso nur den Mord an ihr legitimieren.«
Rechtsanwalt Temming fragte die Zeugin nach der von Müller geschilderten hierarchischen Struktur der Gruppe: »Müller hat behauptet, Andreas Baader habe einen Führungsanspruch gehabt. Gab es so was in der Gruppe? Und wie ist das Verhältnis der Gruppe überhaupt zur Führung?«
»Wenn einer einen Führungsanspruch gehabt hätte, dann hätte er sich nur lächerlich gemacht.
Das Prinzip der Organisation ist ja sowieso Freiwilligkeit, das heißt, daß jeder das eben auch können muß. Wir haben das Kaderlinie genannt. Es ist einfach eine Bedingung für Kontinuität. Wenn Leute verhaftet werden, daß nicht alles völlig orientierungslos dasitzt, sondern daß die Leute auch wirklich selber bestimmen können, damit es keinen Bruch gibt. Wir haben letztes Mal gesagt, Guerilla ist eine Hydra, das heißt, sie hat viele Köpfe.«
27. Reisen nach Nahost
Wie recht sie damit
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