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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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hatte, wußten damals weder Bundesanwaltschaft noch Bundeskriminalamt.
    Die Gefangenen in Stammheim hatten den Rechtsanwalt Siegfried Haag dazu auserkoren, die Gruppe neu zu strukturieren. Es sollte Schluß sein mit den spontaneistischen Aktionen, die neue Generation der RAF sollte eingebettet sein in einen internationalen Zusammenhang.
    Um diesen Zusammenhang herzustellen, reiste Haag gemeinsam mit der aus dem »Sozialistischen Patientenkollektiv« Heidelberg stammenden Elisabeth von Dyck in den Nahen Osten, um die Kooperation mit der PLO wieder aufzufrischen. Doch Yassir Arafat erklärte ihnen, daß er seine Politik inzwischen anders ausgerichtet habe. Die PLO setze jetzt nicht mehr auf »militärische Aktionen«, wie Terroranschläge umschrieben wurden, sondern auf Verhandlungen. Für die praktische Seite seien deshalb andere Gruppen zuständig. Haag möge sich an die PFLP des Dr. Georges Habash wenden. Von dort aus wurde Haag an die Abteilung »Outside Operations« der PFLP unter Führung von Wadi Haddat, Kampfname Abu Hani, weiterverwiesen.
    Der deutsche Rechtsanwalt durfte nach Aden weiterreisen, wo die PFLP ihr Ausbildungscamp unterhielt. Dort traf Haag auf die bei der Lorenz-Entführung freigepreßten Genossen und durfte auch gleich einen militärischen Kurzlehrgang absolvieren.
     
    Die PFLP war im Jahr 1967 entstanden, als der Arzt Georges Habash mehrere palästinensische Organisationen zusammengeschlossen hatte. Ziel der »Popular Front for the Liberation of Palestine« waren die Zerstörung Israels und der Kampf gegen den »amerikanischen Imperialismus«. 1974 änderte die PFLP ähnlich wie die PLO des Yassir Arafat die Taktik, duldete und unterstützte jedoch heimlich weiter terroristische Aktivitäten. Damals scharte Wadi Haddad aus den Reihen der PFLP Anhänger um sich, um am Prinzip des terroristischen Kampfes, vor allem am »Terror über den Wolken«, festzuhalten. Die Gruppe nannte sich jetzt PFLP - SC , das Kürzel am Schluß stand für »Special Command«. Phasenweise bestritt die PFLP - SC ihren revolutionären Etat aus der schlichten Erpressung westlicher Fluggesellschaften. Wer zahlte, blieb von Anschlägen und Entführungen verschont; das galt natürlich nicht für die israelische Fluggesellschaft.
    Im Januar 1976 versuchten Angehörige des »Special Command« in Nairobi, eine El-Al-Maschine abzuschießen. Der Anschlag scheiterte. Drei Palästinenser und zunächst zwei, dann eine weitere Deutsche wurden festgenommen. Wenige Monate später entführte ein anderes Kommando unter Leitung zweier Deutscher, die den »Revolutionären Zellen« ( RZ ) angehörten, eine Maschine der Air France nach Uganda. Die Geiseln, darunter viele Juden, wurden von einem israelischen Spezialkommando befreit. Die Deutschen, Brigitte Kuhlmann und Wilfried Böse, wurden erschossen.
    Doch das »Special Command« gab den bewaffneten Kampf nicht auf. Es unterhielt in Südjemen unter der Leitung des Haddad-Stellvertreters Zaki Helou mehrere Stützpunkte und ein Ausbildungscamp in der Nähe des Dorfes Yaal, etwa zwei Autostunden von Aden entfernt. Hier bildete die PFLP - SC nicht nur ihre eigenen Kämpfer aus, sondern auch Angehörige befreundeter Organisationen wie der RAF , der RZ , der »Bewegung 2 . Juni« und irischer oder sogar holländischer Gruppen. Es war ein Geben und Nehmen. Die Europäer unterstützten bei Aktionen, wenn Araber bei deren Vorbereitung aufgefallen wären, und halfen mit logistischem und technischem Material aus, wie Funkgeräten aller Art, Abhörgeräten oder Fälschermaterialien. Die PFLP lieferte Waffen, Sprengstoff, Blankopässe und vor allem Trainingsmöglichkeiten für den bewaffneten Kampf.
     
    In Deutschland wollten sich die Genossen auf eine kollektive Reise zur Ausbildung nach Aden vorbereiten und trafen sich dazu in Sprendlingen. Jeweils ein Pärchen sollte sich auf unterschiedlichen Routen nach Südjemen begeben. Kaum hatten sie sich in einem Naturschutzgebiet, das von Spaziergängern und Joggern frequentiert wurde, gesammelt, tauchte ein Streifenwagen der Polizei auf. Einer aus der Gruppe trug einen Anorak, dessen Reißverschluß er bis oben zugezogen hatte. Darunter hatte er eine Pistole verborgen. Die Polizisten stiegen aus und gingen direkt auf ihn zu: »Was haben Sie da?« – »Was soll denn das jetzt? Wir machen hier gerade Mittag«, erwiderte einer aus der Gruppe. Die Beamten erklärten, sie seien auf der Suche nach einem Exhibitionisten, der hier sein Unwesen treiben solle.

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