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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Gerhard Müller.
    »Also, in geographischer Hinsicht war es so, daß es in verschiedenen Städten, hauptsächlich Heidelberg, Mannheim, Karlsruhe, Frankfurt, Berlin und Hamburg, feste Stützpunkte für die Gruppe gab. Mit der Zeit hat sich dabei herausgebildet, daß bestimmte Leute, wenn man es so nennen will, Statthalter in bestimmten Städten waren. Die betreuten dann die Logistik und die Sympathisanten. Sie sorgten dafür, daß die bestehenden Wohnungen zu benutzen waren, mußten dieses und jenes machen, bezahlen und eben diese Kleinigkeiten, die laufend gemacht werden mußten.«
    »Also eine Art Ortsbeauftragte«, sagte der Vorsitzende.
    Müller stimmte zu: »Genau. Als Beispiel würde ich sagen, die Möller war das für Stuttgart, Grashof für Hamburg, in Frankfurt war das Raspe, in Berlin Mohnhaupt. Und die Mitglieder lebten nicht alle fest in einer bestimmten Stadt, sondern wechselten von Ort zu Ort. Je nach den Aktivitäten, die geplant waren und durchgeführt werden sollten. Es herrschte eine Fluktuation. Es gab ein paar Leute, die eine Vorliebe für eine Stadt hatten und auch zum Teil Anweisung hatten, dort zu sein.«
    »Wechsel also je nach Bedarf. Ist das richtig verstanden?« fragte Prinzing.
    »Ja. Was das Organisatorische angeht, ist es so, daß Baader den Anspruch erhob, daß dort, wo er ist, quasi die Front, die vorderste Front der RAF ist. Die ganze Geschichte der RAF war ja nicht statisch, sondern eine Entwicklung. Dabei gab es bestimmte Ziele, teils in politischer Hinsicht, teils in taktisch-technischer Hinsicht. Und im Rahmen dieser Ziele war es notwendig, das Niveau der Aktionen oder die Qualität, wie man’s nennen will, zu verändern. Es gab eben einen Unterschied zwischen einem Autodiebstahl und einem Banküberfall. Baader verstand sich als derjenige, der da immer vorneweg ist.«
    »Baader glaubte, immer dort sein zu sollen, wo es um die bedeutendsten Angelegenheiten gegangen ist, oder ist das jetzt falsch verstanden?« vergewisserte sich der Vorsitzende. »Sozusagen an der Spitze der erfahrenen Leute?«
    »Den Anspruch erhob er. Und natürlich wurde unter anderem daraus auch seine Autorität innerhalb der Gruppe abgeleitet.«
    Der Vorsitzende wollte es ganz genau wissen: »Gab es hier eine Art Rangordnung oder sonst irgend so was, was man im Tierreich als die natürliche Hackordnung bezeichnet, die sich zwangsläufig durch besondere Kenntnisse, größere Kräfte und dergleichen ergeben könnte? Gab es Kernmitglieder und Randmitglieder und so weiter und so weiter?«
    »Ja, das gab es. Für mich ist Andreas Baader der führende Kopf. Dann gab es diese Kernmitglieder, also Ulrike Meinhof, Meins, Raspe, Ensslin. Dann gab es einfache Mitglieder, dann eben noch Randmitglieder. Im Prinzip war das Ganze ja so, daß jeder in dieser Hierarchie aufsteigen sollte. Jeder sollte nicht einfaches Mitglied bleiben, sondern er sollte möglicherweise Fähigkeiten und Funktionen bekommen, die dem eines führenden Mitglieds entsprechen. Das ist aber natürlich eine Sache der Leistungsfähigkeit. Zum Beispiel die Statthalter bestimmter Städte waren genauso gut informiert, und die wurden ja auch in gewisser Weise gepuscht, um aufzusteigen und Qualitäten der Kern- und führenden Mitglieder zu erreichen. Baaders Taktik zielte darauf, die Leute zu kriminalisieren, um sie in die Gruppe zu zwingen.«
    Prinzing fragte: »Hat man sich in der Gruppe irgendwelche Überlegungen gemacht, wie man sich für den Fall drohender Festnahmen verhalten sollte?«
    »Für Festnahmen gab es Anweisungen zu schießen«, antwortete Müller. »Das Tragen von Waffen wurde idealisiert. Es galt als einem Guerillero entsprechend. Wenn zum Beispiel irgendwo ein Schußwechsel stattgefunden hatte, wurde derjenige, der geschossen hatte, gerühmt oder gelobt. Wenn jemand verletzt oder getötet worden war, dann wurde er als Märtyrer hingestellt.«
     
    Gerhard Müller behauptete auch, Ulrike Meinhof sei für den Anschlag auf das Hamburger Springer-Haus verantwortlich gewesen. Von Hamburg aus sei sie nach Frankfurt gekommen, wo Baader, Ensslin, Raspe, Meins und er selbst residiert hätten.
    Ulrike Meinhof habe den anderen die Idee für einen Anschlag auf das Springer-Haus vorgetragen.
    Müller sagte: »Die übrigen Gruppenmitglieder waren mit einem Anschlag auf das Hamburger Springer-Haus im Prinzip einverstanden. Es wurden Rohrbomben hergerichtet, die Ulrike Meinhof mit nach Hamburg nehmen sollte. Baader zeigte Ulrike Meinhof, wie man die

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