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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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dachte der Anwalt.
    Dieser auffallende Wandel in der Haltung Müllers war im November 1974 vor sich gegangen. Noch aber hatte er – zumindest soweit das sein Anwalt wußte – keine Aussagen gemacht. Im Dezember erklärte er Ströbele: »Ich werde die Rechtsanwälte belasten, die weiterhin für Baader sind, die ihre Mandate behalten oder in irgendeiner Weise in der Öffentlichkeit für Baader auftreten, auf Pressekonferenzen zum Beispiel. Dann werde ich diese Rechtsanwälte belasten. Mir wird man glauben.« Ströbele verstand das so: »Ich kann über die erzählen, was ich will. Man wird mir das alles glauben, weil man auf so einen Zeugen ja sicherlich gewartet hat.«
     
    Am 6 . März 1975 hatte Müller seine Kehrtwendung endgültig vollzogen. Er schrieb seinem Anwalt eine Postkarte mit der ungewohnten Anrede »Sehr geehrter Herr Ströbele« und wies ihn darauf hin, daß er hinfort kein Geld mehr brauche. Die Frau, die ihn bisher finanziell unterstützt hatte, solle ihr Geld woanders hinschicken.
    Müller begann, zunächst vertraulich, vor der Polizei Aussagen zu machen.
    Im Frühjahr erzählte Müller den Vernehmungsbeamten eine haarsträubende Geschichte, geeignet, der Gruppe und vor allem Andreas Baader jeden Rest an moralischer Substanz zu nehmen.
    Baader, so berichtete Müller, habe ein Gruppenmitglied, das aussteigen wollte, ermordet.
    Es ging um Ingeborg Barz.
    Ihr Tod sei durch den »harten Kern« der Gruppe beschlossen worden, weil sie gegen das »Gesetz« verstoßen habe. Sie wollte »aussteigen«. Die Liquidierung von Ingeborg Barz, so erzählte Müller den Beamten weiter, sei detailliert geplant worden. Auf Karten habe man ein geeignetes Gelände ausgesucht in einer Gegend auf dem Weg nach Frankreich, um Ingeborg Barz in Sicherheit zu wiegen. Ausgewählt worden sei ein Waldstück am linken Rheinufer, südlich von Gernsheim. Müller und Raspe seien dorthin geschickt worden, um den genauen Ort für die Hinrichtung festzulegen. Später habe Raspe erzählt, er und Holger Meins seien noch einmal an die ausgesuchte Stelle gefahren und hätten dort eine etwa zwei Meter tiefe Grube ausgehoben. Die eigentliche »Hinrichtung« sei dann im Frühjahr 1972 von Holger Meins, Jan-Carl Raspe und Andreas Baader durchgeführt worden. Baader habe den tödlichen Schuß abgegeben.
     
    Die Ermittlungsbeamten nahmen Gerhard Müller mit an den Rhein.
    Aus dem Hubschrauber erkannte er die Gegend wieder, hatte auch beim Abgehen des Geländes keine Zweifel, daß es sich um die Stelle handelte, an der er damals zusammen mit Meins das Grab für Ingeborg Barz ausgesucht hatte.
    Hundertschaften der Polizei begannen in dem von Müller bezeichneten Umkreis zu graben – gefunden wurde nichts.
    Nachdem die Suche nach der Leiche Ingeborg Barz’ erfolglos abgebrochen worden war, versuchten die Ermittlungsbehörden vergeblich, Müllers Aussagen zu diesem Vorgang geheimzuhalten. Schließlich hätten die unbewiesenen Erzählungen Gerhard Müllers seine Glaubwürdigkeit als Zeuge der Anklage gefährdet.
    Die Verteidiger im Stammheimer Prozeß erfuhren trotzdem davon und versuchten, den Belastungszeugen Müller mit der unbewiesenen Genickschuß-Geschichte als unglaubwürdig hinzustellen.
    Gruppenmitglieder, die in der Zwischenzeit ebenfalls verhaftet worden waren, traten auf und berichteten, sie hätten Ingeborg Barz auch noch nach dem von Müller genannten Hinrichtungstermin gesehen.
    »Ich habe Ingeborg Barz zweimal getroffen«, sagte etwa Inga Hochstein aus.
    »Der Treffpunkt war Aumühle bei Hamburg. Wir gingen dorthin spazieren. Ingeborg ist nach mir gekommen und vor mir wieder gegangen. Der Grund des Treffens war damals: Sie wollte von mir wissen, ob es eine Möglichkeit im Ausland gibt. Ich konnte ihr aber nicht helfen.
    Das zweite Treffen fand um den 20 . Januar 1975 auch in Hamburg statt. Es war in einem Lokal in der Wandsbeker Landstraße, glaube ich. Sie wollte von mir ein bestimmtes Medikament haben. Sie war krank, brauchte Hilfe und wurde gesucht. Sie wollte die Adresse von einem Arzt haben, wo es möglich war, eine kontinuierliche Behandlung zu bekommen. Über das Medikament und die Art der Krankheit werde ich keine Aussage machen.«

25. Die natürliche Hackordnung
    ( 124 . Tag, 8 . Juli 1976 )
    »Können Sie uns etwas über die Art, wie diese Gruppe untereinander Kontakte gewahrt hat, wie sie in ihren Planungen vorgegangen ist, einige Angaben machen?« erkundigte sich der Vorsitzende Theodor Prinzing beim Zeugen

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