Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Auch wenn sie nicht den Eindruck machten, als würden sie sich vor kleinen Kindern zeigen, so solle der eine von ihnen doch bitte schön mal zeigen, was er unter der Jacke habe.
»Ich mach doch hier keinen Striptease«, erwiderte der Angesprochene. Doch die Polizisten beharrten darauf, daß er mit zum Streifenwagen kommen müsse. Dort wurden seine Personalien überprüft. Die waren in Ordnung. Aber die Beamten ließen nicht locker: »Jetzt möchten wir doch wissen, was Sie unter der Jacke haben.«
Daraufhin klappte der Mann seine Jacke auf, zog seine Pistole und sagte: »Hände hoch.«
Die Beamten stellten sich mit erhobenen Händen an den Wagen, doch in einer plötzlichen Drehung zog einer seine Waffe und feuerte. Es begann eine wilde Schießerei, in deren Verlauf einer der Polizisten in den Kopf getroffen wurde. Eine Kugel traf Rolf Clemens Wagner in den Hintern. Peter-Jürgen Boock packte sich den Blutenden auf die Schulter und schleppte ihn auf einen Parkplatz am Rande des Naturschutzgebietes. Dort saß eine Frau am Steuer ihres Renault R 16 . Boock hielt ihr die Pistole ins Gesicht: »Aussteigen!«
Die Frau kreischte und klammerte sich am Lenkrad fest. Ein Schuß fiel, die Windschutzscheibe zersplitterte. Boock sprang auf die Beifahrerseite und versuchte, die Frau mit den Füßen aus dem Wagen zu stoßen. Als sie endlich das Lenkrad losließ und zu Boden fiel, schrie Boock den verletzten Wagner an: »Los, einsteigen!« Dann raste er los. Die immer noch kreischende Besitzerin des Wagens klammerte sich ans Fenster und wurde mitgeschleift, bis sie sich nicht mehr halten konnte.
Als die Großfahndung einsetzte, versteckten sich Boock und Wagner in einem Waldstück unter Laub und Ästen. Sie wurden nicht entdeckt.
In einer ihrer konspirativen Wohnungen trafen sich alle wieder. Rolf Clemens Wagner wurde mit Hilfe eines mehr oder weniger freiwillig helfenden Arztes versorgt.
Boock gehörte zur letzten Gruppe, die einige Zeit später in Aden eintraf. Auf dem Dach des Flughafengebäudes wartete das Begrüßungskommando. Siegfried Haag hatte sich in der Zwischenzeit ein Toupet anfertigen lassen und trug einen Seeräuberbart. Verena Becker war dabei und der schon erwähnte Zaki Helou. Peter-Jürgen Boock meinte sich später auch daran zu erinnern, daß Monika Haas aus Frankfurt in dieser Gruppe gestanden habe – jene Frau, die später in Verdacht geriet, die Waffen für die Entführung des Lufthansa-Flugzeugs »Landshut« nach Palma de Mallorca geschmuggelt zu haben.
Die wenigen Transitreisenden, die sich alle einer besonders peniblen Ankunftskontrolle unterziehen mußten, waren erstaunt, daß diese jugendlichen Europäer empfangen wurden wie Staatsgäste. Allerdings mußten die Einreisenden ihre Pässe abliefern. Als Boock sich bei Siegfried Haag darüber beschweren wollte, erklärte ihm dieser, daß es dazu eine Vereinbarung zwischen den Palästinensern und der Regierung gebe. Solange die Gruppe im Land sei, hätten die PFLP -Vertreter die Kontrolle über Ein- und Ausreise.
Erst später erfuhr Boock, wer noch genau über die Bewegungen der Deutschen Bescheid wußte: die Vertreter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR , die den jemenitischen Geheimdienst ausbildeten und den Flughafen Aden unter Kontrolle hatten. Dort wurde sogar sächsisch gesprochen.
Am nächsten Tag ging es weiter zum Camp. Es gab zur Begrüßung Tee und dann Gespräche bis zum frühen Morgen. Siegfried Haag erklärte, daß er mit dem militärischen Training auf sie gewartet habe. Bisher hatte nur Dauerlauf zur Körperertüchtigung auf dem Programm gestanden.
28. Operation Nairobi
Es gab einiges zu erzählen. Zwei Gruppenmitglieder hatten bereits an einer Aktion teilgenommen. Die war aber offenbar schiefgegangen. Im Januar 1976 war ein aus drei Palästinensern und den beiden Deutschen Brigitte Schulz und Thomas Reuter bestehendes Kommando in die kenianische Hauptstadt Nairobi gereist. Das Ziel – zumindest der Palästinenser – war es, ein Flugzeug der israelischen Fluggesellschaft El Al mit einer sowjetischen SAM - 7 -Boden-Luft-Rakete abzuschießen. Doch die kenianischen Behörden, und mit ihnen der israelische Geheimdienst Mossad, hatten rechtzeitig von dem geplanten Anschlag erfahren. Das »Norfolk Hotel«, in dem das Kommando abgestiegen war, strotzte nämlich vor Abhöreinrichtungen der Israelis, und die Terroristen hatten die Details ihrer Aktion ausführlich untereinander besprochen.
Die Palästinenser, darunter
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