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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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gereichen könnten, nur dann zu stellen seien, wenn sie unerläßlich sind. Herr Rechtsanwalt Schily hat darauf hingewiesen, daß es darum geht zu klären, ob Sie gegen Geldzuwendungen zu bestimmtem Verhalten bereit wären. Das ist ein Zusammenhang, der nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Also, Frage: Wären Sie bereit, von sich aus so eine Frage zu beantworten?«
    »In keiner Weise«, sagte Müller.
    Die Bundesanwaltschaft meldete sich zu Wort: »Die Frage zielt eindeutig darauf hin, den Zeugen bloßzustellen, auf nichts anderes.«
    Die Verhandlung wurde kurz unterbrochen, dann verkündete das Gericht: »Die gestellte Frage wird als ungeeignet zurückgewiesen.«
    Noch einmal bemühten sich die Anwälte herauszufinden, auf welche Weise Müller aussagebereit gemacht worden war.
    »Hat man Ihnen anläßlich Ihrer Vernehmung durch Beamte der Sicherungsgruppe Bonn verschiedentlich bedeutet, daß man auch anders könne, wenn Sie nicht aussagten?« fragte Dr. Heldmann.
    »Ja, daß ich damit zu rechnen hätte, eben wie jeder andere ein Verfahren zu kriegen und dann verurteilt zu werden.«
    »Und das hat Sie so erschreckt, daß Sie ›wie jeder andere‹ behandelt werden sollten?« sagte der Anwalt.
    »Ja, das sollten Sie auch wieder nicht so sehr auf die Goldwaage legen.«
    »Haben Sie einen Haß auf Herrn Baader?« wollte Heldmann wissen.
    »In keiner Weise.«
    »Spüren Sie Feindschaft gegenüber Baader?«
    »Nein.«
    Heldmann zog einen Brief hervor, den Müller im Januar 1975 an einen Bekannten in Heidelberg geschrieben hatte. Er zitierte: »Schließlich ist es so, daß mein Haß auf die RAF und bestimmte Leute sehr viel stärker ist als zum Beispiel auf die Leute, die gegenwärtig für meine Haftbedingungen verantwortlich zeichnen.«
    Müller räumte ein, diesen Brief geschrieben zu haben, und erklärte seine damalige Lage: »Die Trennung von der RAF hat ja einen unheimlich starken emotionalen Aspekt gehabt. Ich habe die erste Phase dieser Trennung nur hinter mich gebracht – lebendig –, indem ich mir da einen Gegner aufgebaut hatte. Also in diesem Sinne Haß auf die RAF .«
    Im Anschluß an die Vernehmung des Zeugen Gerhard Müller gab Bundesanwalt Dr. Wunder in einer Erklärung seine Einschätzung des Zeugen ab: »Ich verwahre mich mit Nachdruck gegen den Vorwurf, Müller sei von Angehörigen des Bundeskriminalamtes gekauft, umgedreht oder einer sogenannten Gehirnwäsche unterzogen worden. Obwohl Müller zweifellos schuldbeladen ist, halte ich ihn für glaubwürdig. Es ist nicht das erste Mal, wenn sich ein Saulus zu einem Paulus bekehrt. Und in einem Rechtsstaat, der sich der Resozialisierung verschrieben hat, sollte derartiges nicht als ungewöhnlich angeprangert werden. Schon grundsätzlich verdient jemand, der sich aus den Klauen einer kriminellen Vereinigung befreit, ein gewisses Verständnis, wenn nicht sogar Respekt.«

30. Ein Sprung über den Richtertisch
    ( 131 . Tag, 28 . Juli 1976 )
    Auch der in Kaiserslautern angeklagte Klaus Jünschke war von der Verteidigung als Zeuge geladen worden, um Müllers Behauptungen über die Struktur der Gruppe zu widerlegen. »Haben Sie in Kaiserslautern einen Verteidiger?« fragte Rechtsanwalt Heldmann.
    »Nein.«
    »Sind Sie belehrt worden, daß Sie hier einen Rechtsbeistand mitbringen dürfen?«
    »Nein. Ich sagte doch, daß wir uns seit Monaten bemühen, Anwälte zu finden. Aber diese Bemühungen sind durch die Hetze gegen die Anwälte sabotiert worden. Die Schwierigkeiten liegen bei diesen Figuren hier.«
    Der Vorsitzende erkundigte sich, ob Jünschke die Formulierung »Figuren« abträglich gemeint habe, und drohte eine Ordnungsstrafe an.
    »Na, mach doch, du Faschist«, sagte der Zeuge und erhielt eine Woche Ordnungshaft.
    »Vielleicht ist das nicht klargeworden«, erklärte Jünschke. »Wir haben Interesse, hier auszusagen. Aber Müller wird in Kaiserslautern erscheinen, und wir haben bis jetzt noch nicht seine Vernehmungsakten. Das ist der Grund, weswegen wir heute nichts sagen können. Ich würde vorschlagen, daß wir in vierzehn Tagen wieder geladen werden und bis dahin die Protokolle durchgelesen haben. Und zu diesem Vorschlag …«
    Der Vorsitzende schnitt ihm das Wort ab: »Sie haben hier nicht mit Vorschlägen zu kommen, sondern Fragen zu beantworten.«
    »Ja, dann machen wir Schluß, würde ich sagen.«
    Einen Moment später stand Klaus Jünschke von seinem Stuhl auf, rannte um den Zeugentisch herum und rief: »Wart, ich komm!« Mit drei

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