Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Mitglied wohl tot sein. Hingerichtet, sagt man in diesen Kreisen.«
Doch Aussteiger Klein irrte. Monika Haas stand unter dem persönlichen Schutz des einflußreichen Leiters des Ausbildungscamps und Stellvertreters von Abu Hani. Im Sommer 1976 heirateten die beiden. Den Verdacht, Mossad-Agentin zu sein, wurde sie nie wieder los. Vor allem Mitarbeiter der Terrorismusabteilung des DDR -Geheimdienstes stellten später umfangreiche Ermittlungen an, um die vermutete Beziehung von Monika Haas zum Mossad nachzuweisen.
Bei glühender Hitze und mehr als neunzig Prozent Luftfeuchtigkeit trainierte ein Großteil jener Gruppe den Guerillakrieg, die später an der Schleyer-Entführung oder anderen Aktionen beteiligt war: Neben Peter-Jürgen Boock und Siegfried Haag waren das – wenn auch nicht alle gleichzeitig – Rolf Heißler, Verena Becker, Sieglinde Hofmann, Stefan Wisniewski und Rolf Clemens Wagner. Auch der legendäre Auftragsterrorist Carlos und sein deutscher Gehilfe Johannes Weinrich waren zeitweise vor Ort.
Die Palästinenser hatten darauf bestanden, daß einer in der Gruppe für sie der Ansprechpartner war. Rechtsanwalt Siegfried Haag übernahm die Rolle und begann auch sofort, den deutschen Kampfgenossen gegenüber den Chef zu spielen. Das führte zu einigen Konflikten, vor allem mit Verena Becker, aber auch mit Peter-Jürgen Boock. »Heimkindermentalität« wurde ihm dann von den anderen vorgehalten und daß er gesagt hatte, er würde nur mitmachen, weil er jene Leute befreien wollte, die ihm nahestanden.
Das war zwar auch das Ziel der anderen, nur wurde es von ihnen wesentlich politischer formuliert.
Früh am Morgen begann das Training mit Dauerlauf, Nahkampfübungen und Gymnastik. Nach dem Essen eine Pause bis 13 . 00 Uhr. Dann Waffenkunde, Guerillatheorie, Häuserkampftheorie. Nach dem Abendessen, wenn es etwas kühler wurde, Schießtraining. Am Abend wurden Pläne für die Rückkehr nach Deutschland geschmiedet. Ganz oben auf der Liste stand die Befreiung der Gefangenen, vor allem in Stammheim. Es entstanden die Begriffe »Big Money« und »Big Raushole«. Siegfried Haag legte dazu verschlüsselte Papiere an, die später bei ihm gefunden wurden.
29. Saulus und Paulus
( 129 . Tag, 22 . Juli 1976 )
Der Hauptbelastungszeuge Gerhard Müller mußte sich im Stammheimer Gerichtssaal den Fragen der Verteidigung stellen.
»Wie hat sich die Isolation auf Sie ausgewirkt, Herr Müller?« fragte Rechtsanwalt Schily.
»Das können Sie ja sehen.«
»Das kann ich heute sehen?«
»Ja.«
»Würden Sie sagen, daß Sie in der Haft immer mit rechtsstaatlichen Mitteln behandelt worden sind?«
»Ja, ich möchte unterscheiden, zwischen der Haft als RAF -Gefangener und der Haft nach meiner Trennung von der RAF . Ich kann auch überhaupt nicht leugnen, daß die Maßnahmen staatlicherseits während meiner RAF -Mitgliedschaft und meiner Gefangenschaft berechtigt waren.«
»… berechtigt waren?« fragte Schily.
»Ja, ich habe mich ja auch entsprechend verhalten.«
»Sagen Sie: Waren Sie mal in psychiatrischer oder nervenärztlicher Behandlung?«
»Muß ich so was beantworten?« erkundigte sich Müller beim Vorsitzenden.
»Die Dinge, die hier zur Debatte stehen, rechtfertigen eine solche Frage«, meinte Dr. Prinzing.
»Ja, ich war im Anschluß an einen Selbstmordversuch in Heidelberg ungefähr fünf bis sechs Wochen in der geschlossenen Abteilung der Nervenklinik.«
»Und danach oder davor?« fragte Schily.
»Davor nicht, danach ja. 1970 war ich dann im ›Sozialistischen Patientenkollektiv‹. Ich hab da ’ne Einzeltherapie gehabt. Und dann gleichzeitig auch noch Gruppentherapien. Daraus wurden dann später Agitationen.«
»Und was war da die Diagnose für diese Therapie?«
»Ja, das System muß kaputtgemacht werden.«
Schily geriet an einen heiklen Punkt: »Sagen Sie, Herr Müller, haben Sie sich mal für Geld verkauft?«
Der Vorsitzende griff ein: »Herr Rechtsanwalt Schily, ich bitte Sie, diese Frage möglichst nicht auszuführen.«
»Ich bestehe auf der Frage«, sagte Schily. »Der Zusammenhang ist in diesem Verfahren ja nun sehr deutlich: Inwieweit ist der Zeuge bereit, gegen bestimmte finanzielle Leistungen, sich zu einem bestimmten Verhalten herzugeben. In den Akten gibt es da einen bestimmten Anhaltspunkt, so daß diese Tatsache hier eingeführt werden muß, so leid es mir tut.«
Der Vorsitzende wandte sich an den Zeugen: »Das Gesetz sagt folgendes, daß Fragen, die einem Zeugen zur Unehre
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