Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
gegenüber dem Zeugen. Hier wird gefragt und nichts anderes.«
»Na gut, ich frage jetzt, ob er diese Richtlinien kennt. Das eine ist: terroristische Organisationen zu infiltrieren. Zweitens: den Terrorismus zu verhindern, indem die terroristischen Aktionszentren aufgespürt und isoliert werden. Drittens: die Führer auszuschalten …«
Der Vorsitzende unterbrach ihn: »Es ist nicht erkennbar, was das mit der Aufklärung der Mordvorwürfe gegen Sie zu tun haben könnte.«
Nach einigem Hin und Her antwortete der Generalbundesanwalt: »Herr Baader, da muß ich Sie enttäuschen. Maßnahmen dieser Art gehen nicht von der Bundesanwaltschaft aus. Die Bundesanwaltschaft ist eine Strafverfolgungsbehörde. Die Frage der Gefahrenabwehr ist nicht Aufgabe der Bundesanwaltschaft.«
Verteidiger Schily fragte den Zeugen Buback: »Ist Ihnen bekannt, daß von Ermittlungsbehörden in der Öffentlichkeit Behauptungen aufgestellt worden sind, daß sich in den Händen der ›Rote Armee Fraktion‹ atomare Sprengkörper befinden?«
»Ich habe etwas derartiges gelesen«, erinnerte sich der Generalbundesanwalt.
»War das ein Anlaß für Sie, dieser Meldung nachzugehen, ob an dieser Meldung etwas dran ist oder nicht?«
»Es mag sein, daß wir darüber gesprochen haben.«
»Darf ich Sie fragen, mit wem Sie darüber gesprochen haben?«
»Das weiß ich heute nicht mehr.«
»Darf ich fragen, wann diese Gespräche stattgefunden haben?«
»Das weiß ich auch nicht mehr.«
»Ist das nicht ein Vorgang so ungewöhnlicher Art, daß vielleicht Ihr Gedächtnis da besser sein könnte, Herr Zeuge?«
»Nein, das glaube ich nicht«, sagte der Generalbundesanwalt.
Schily war erstaunt: »Wie? Kommt das häufiger vor, daß Ermittlungsbehörden zu der Erkenntnis gelangen, daß bestimmte Gruppierungen atomare Sprengkörper besitzen?«
»Sie überschätzen einfach die Funktion der Bundesanwaltschaft. Ich darf Ihnen das noch mal sagen: Die Bundesanwaltschaft befaßt sich mit Strafverfolgung.«
»Ja, ja, aber zur Strafverfolgung gehört ja bekanntlich auch die Ermittlung, nicht?«
»Ja, natürlich, natürlich«, pflichtete ihm Buback bei.
Der Vorsitzende schaltete sich ein: »Wo ist der Vorwurf erhoben worden gegen die Angeklagten, sie seien im Besitz von atomaren Sprengkörpern?«
»Nein, das nicht«, wehrte der Verteidiger ab.
»Eben«, erklärte Prinzing. »Und das ist der Maßstab.«
»Nein, das ist nicht der Maßstab.«
»Das ist kein Anklagevorwurf. Man kann unter dem Paragraphen 129 – kriminelle Vereinigung – durch Fragen nicht alles unterbringen. Ich meine, bitte, das ist ein überzogenes Beispiel, wenn Sie heute fragen würden: ›Ist Ihnen bekannt, daß der RAF vorgeworfen wird, kleine Kinder geschlachtet zu haben‹, müßte ich nach Ihrer Theorie die Frage auch zulassen.«
»Solche Bilder fallen Ihnen ein, Herr Vorsitzender!« sagte Otto Schily.
33. Ein Fotoapparat und andere Gerätschaften
Am 30 . November 1976 wurde Siegfried Haag, der ehemalige Sozius des Stuttgarter Anwalts Klaus Croissant, in der Nähe von Butzbach festgenommen. Kurz vor Beginn des Stammheimer Prozesses hatte sich Haag in den Untergrund abgesetzt, um die RAF neu zu strukturieren.
Unmittelbar nach seiner Verhaftung durchsuchten Polizeibeamte die Wohnung Elisabeth von Dycks, die mit Volker Speitel und anderen als Hilfskraft im Croissant-Büro arbeitete. Die Beamten fanden Fotos, aufgenommen im Hochsicherheitstrakt Stammheim. Auf einigen der mit einer Minox gemachten Aufnahmen waren die engmaschigen Fenstergitter zu sehen, auf anderen die Gefangenen selbst. Sie hatten sich gegenseitig fotografiert. Wo Fotos waren, so kombinierten die Kriminalbeamten richtig, mußte es auch eine Kamera geben.
Am Tag darauf durchsuchten Beamte des Landeskriminalamts Baden-Württemberg die Zellen der im siebten Stock einsitzenden Gefangenen Baader, Ensslin, Raspe, Schubert und Mohnhaupt. Sie fanden zwei Heizplatten, hergestellt aus Toasterspiralen, und »drei Stück olivgrüne pflanzliche Substanz, kugelförmig«, Haschisch. Eine Minox entdeckten sie nicht. Auf die Fotos angesprochen, erklärte Ingrid Schubert, sie habe die Kamera bei ihrer Verlegung aus einer anderen Haftanstalt mitgebracht: »Nachher habe ich Kamera und Filme rausgegeben. Die Möglichkeiten, die dazu zur Verfügung standen, sind der Anstaltsleitung bekannt: Privat- und Anwaltsbesuche.«
Am nächsten Prozeßtag, eine Woche später, wurden die Verteidiger bei der Kontrolle aufgefordert, ihre
Weitere Kostenlose Bücher