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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Schuhe auszuziehen und die Hose zu öffnen. Die Anwälte waren empört. Dr. Heldmann sagte: »Ich fordere den Senat auf, das Ausmaß von Belästigungen der Verteidiger wenigstens auf den Standard von Unzumutbarkeiten zurückführen zu lassen, der in den vergangenen eineinhalb Jahren hier zur schlechten Übung geworden ist.«
    Otto Schily bemerkte, die rektale Untersuchung eines Verteidigers sei dann wohl der nächste Schritt. Das Gericht machte eine kurze Pause. 
    Heldmann wollte währenddessen seinen Mandanten Baader aufsuchen. Atemlos kam er zurück und erklärte dem Gericht, der Vollzugsbeamte Götz habe ihn nur zu Baader lassen wollen, wenn er bereit sei, seine Schuhe auszuziehen und die Hose zu öffnen. »Zur Sache stelle ich fest: An dem Unrechtszustand der abgenötigten Verteidigerentblößung hat sich nichts geändert.«
    Richter und Bundesanwälte lachten, und Heldmann sagte: »Ich finde das nun so lustig wirklich nicht.«
    »Ich kann natürlich nur unter bestimmten Voraussetzungen hier verteidigen«, sagte Otto Schily. »Es gibt irgendwo den bekannten Tropfen, bei dem das Faß zum Überlaufen kommt.«
    Rechtsanwalt Heldmann ging und ließ eine Notiz zurück: »Vielleicht besinnt sich der Vorsitzende doch noch auf einen gewissen Zivilisationsstand, den unsere Rechtsordnung einmal erreicht hatte. Für diesen Fall bin ich in meinem Büro zu erreichen.«
    »Also, ich nehme das zur Kenntnis«, sagte Prinzing. »Diese Maßnahmen rühren offenbar an die heiligsten Güter …«
    »Ach, lassen Sie doch diese Witzchen, Herr Vorsitzender«, fuhr Schily ihn an.
    Prinzing zitierte Ingrid Schuberts Eingeständnis, sie habe Fotos und Fotoapparat über Besucher nach draußen geschmuggelt.
    Da Privatbesuche bei den Gefangenen strikt überwacht würden, sei es verständlich, daß die Anstaltsleitung nunmehr die Verteidiger strenger kontrollieren müsse. »Wenn ein Fotoapparat herausgeschmuggelt worden ist, können auch andere Gegenstände raus- oder reinkommen. Wenn sie rauskommen können, dann können sie auch reinkommen.«
    Prinzings »Hosenladen-Erlaß« blieb für die restliche Dauer des Prozesses bestehen. Unter regelmäßig geäußertem Protest öffneten die Wahlverteidiger hinfort ihre Hosen.
    Besonders sorgfältig wurde der Rechtsanwalt Arndt Müller kontrolliert. Als Mitarbeiter im Büro Croissant erregte er ohnehin den Argwohn der am Eingang des Prozeßgebäudes für die Durchsuchungen verantwortlichen Polizeibeamten. Hinzu kam, daß Müller im Prozeß keinerlei Funktion ausübte, obwohl er als Verteidiger Gudrun Ensslins firmierte. Trotzdem besuchte er seine Mandantin überaus häufig.
     
    Vor dem Untersuchungsausschuß, der Ende 1977 die Todesfälle in Stammheim aufklären sollte, sagte der Leiter der Polizeigruppe, die für die Leibesvisitation von Besuchern und Rechtsanwälten in der »Mehrzweckhalle« zuständig war: »Der Herr Rechtsanwalt Müller ist Verteidiger, ich weiß jetzt nicht, von wem, also Ensslin oder von wem. Er hat Rechtsanwaltfunktion gehabt. Nur hat er sie nicht in dem Sinn, wie man es von einem Rechtsanwalt erwartet, in der Verhandlung ausgeübt. Er war in meinen Augen – ich bitte um Entschuldigung, wenn ich vom Rechtsanwalt das sagen muß – nicht mehr und nicht weniger als ein Laufbursche.«
    Müller sei seines Wissens nie als Verteidiger im Prozeß aufgetreten. »Er war aber fast täglich im Mehrzweckgebäude oder zumindest in der Vollzugsanstalt.« Das Prozeßgebäude habe er über den Eingang für Verfahrensbeteiligte betreten und habe es auch auf diesem Wege wieder verlassen. »Sie dürfen mir glauben«, sagte der Polizeioffizier Berger, »daß ich den Herrn Müller besonders durch seine Tätigkeit, dadurch, daß er bloß Laufbursche war, besonders im Auge gehabt habe.«
    Tatsächlich hatte Rechtsanwalt Arndt Müller seine Mandantin Gudrun Ensslin insgesamt 232 mal in der Vollzugsanstalt besucht. Nach einhelligen Ermittlungsergebnissen des Untersuchungsausschusses und der Staatsanwaltschaft war es aber auf diesem Wege nicht möglich, irgend etwas in die Anstalt hinein- oder aus der Anstalt herauszuschmuggeln. Dafür waren die Kontrollen zu scharf.
    Lücken in der Überwachung habe es allerdings beim Betreten des Verhandlungssaales gegeben – auch wenn die dafür eingesetzten Beamten dies bestritten. Die »Mehrzweckhalle« aber betrat Arndt Müller insgesamt nur 49 mal. Mit Gudrun Ensslin traf er dann im Besprechungszimmer hinter dem Verhandlungssaal zusammen. Nur bei diesen

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