Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Siegfried Buback gehörte zu den am meisten gefährdeten Personen der Bundesrepublik.
Auf der Fahrt zum Bundesgerichtshof hielt der Wagen an einer roten Ampel. Siegfried Buback saß auf dem Beifahrersitz, im Fond des Wagens Georg Wurster, 33 , Chef der Fahrbereitschaft der Bundesanwaltschaft. Der Fahrer Göbel hatte sich auf der Geradeausspur eingeordnet. Es war 9 . 15 Uhr.
Plötzlich schob sich auf der rechten Abbiegespur ein schweres Motorrad der Marke Suzuki an den Mercedes heran. Fahrer und Beifahrer trugen Motorradanzüge und Helme, die ihre Gesichter verdeckten. Als Bubacks Wagen anfuhr, feuerte der Beifahrer auf dem Motorrad mit einer automatischen Waffe in das Fenster und die Seitentür des blauen Mercedes. Die Kugeln durchschlugen Glas und Blech. Der Dienstwagen des Generalbundesanwalts rollte weiter und kam an einem Begrenzungspfahl zum Stillstand. Der Fahrer Wolfgang Göbel war tödlich getroffen worden. Generalbundesanwalt Buback starb auf dem Rasen am Straßenrand. Der schwerverletzte Georg Wurster wurde ins Krankenhaus gebracht. Dort starb auch er.
Sofort wurde eine Ringfahndung ausgelöst. Sie blieb erfolglos. Am Nachmittag trat der Kleine Krisenstab in Bonn zusammen. Die Bundesanwaltschaft übernahm die Ermittlungen und veranlaßte verschärfte Haftbedingungen für die Stammheimer Häftlinge.
Kurz zuvor waren Boock und Brigitte Mohnhaupt gemeinsam nach Bagdad gereist, um dort den »Old Man« zu treffen, Wadi Haddad, den Paten aller europäischen Terroristen. Es wurde eine fast romantische Reise. Sie wachten morgens in einem kleinen Haus auf. Die Sonne schien. Boock öffnete das Fenster und pflückte eine Orange von einem Baum, der direkt davor stand. Er schälte sie im Bett: »Es war tierisch, eigentlich unwirklich, unglaublich und unwirklich.«
Dann trafen sie Wadi Haddad, Deckname Abu Hani, der seine ganze Truppe mitgebracht hatte, und die beiden wurden wie Staatsgäste begrüßt. Es gab ein opulentes Mahl, und dann ging es zur Sache. Die Befreiungsaktion rücke jetzt in greifbare Nähe. Es gehe nun darum, Länder zu finden, die bereit seien, die Gefangenen aufzunehmen. »Kein großes Problem«, sagte Abu Hani. »Das läßt sich ziemlich schnell regeln. Nordkorea käme in Frage, Jemen, Irak, vielleicht auch Algerien. Das aber nur im Notfall.« Als Zwischenstation könne auch noch Somalia in Betracht kommen, aber nicht, um dort zu bleiben. Allerdings sei auch der Irak problematisch, schließlich befinde sich dort die gesamte palästinensische Struktur. Die solle man besser nicht gefährden, indem man den Irakern Trouble ins Land hole. Also blieb eigentlich nur der Jemen übrig. Über Malta, Paris und Brüssel kehrten die beiden nach Amsterdam zurück. Am Nachmittag erhielten sie einen Anruf aus Deutschland: »Er ist tot. Die Sache ist gelaufen.« Gemeint war der Mordanschlag auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback.
Brigitte Mohnhaupt machte sich daran, ein Bekennerschreiben zu verfassen. Sie hockte sich an die Schreibmaschine, die Haare fielen ihr ins Gesicht, und dann nahm sie wie immer in solchen Situationen eine Haarsträhne quer in den Mund und tippte weiter. Um jeden Satz wurde gestritten. Boock war der Ansicht, daß man von dieser unmöglichen Sprache wegmüsse. »Aber Brigitte hat mich immer auf den Topf gesetzt und gesagt: ›Was du machst, ist purer Populismus. Und die Leute, die das verstehen wollen, die haben sowieso ein bißchen politische Voraussetzung. Wer sich wirklich dafür interessiert, der wird auch verstehen, worum es geht.‹«
Wenige Tage später wurde bei der Deutschen Presseagentur in Frankfurt ein Bekennerbrief in den Briefkasten geworfen: »Für Akteure des Systems wie Buback findet die Geschichte immer einen Weg. Am 7 . 4 . 77 hat das Kommando Ulrike Meinhof Generalbundesanwalt Siegfried Buback hingerichtet …«
Rechtsanwalt Schily und andere Anwälte gaben eine Erklärung ab, in der sie »mit tiefer Empörung und Abscheu den sinnlosen und brutalen Mord« verurteilten. Die »hinterhältige Ermordung« sei »ein schweres Verbrechen am Rechtsstaat«.
Der damalige Justizminister Hans-Jochen Vogel: »Das war der Eindruck, wenn der Staat seinen höchsten Ankläger nicht schützen kann, dessen Aufgabe es ja war, im Rahmen seiner Zuständigkeiten hier tätig zu werden, dann ist das ein Fragezeichen hinsichtlich der Schutzfähigkeit des Staates überhaupt.«
Wer geschossen hat, wurde nie völlig klar. Vermutlich wurde das Motorrad von Günter Sonnenberg
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