Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Fernmeldewesens, die Ingenieurgruppe des Bundesinnenministeriums, zum Beispiel damit befaßt, das Radio des Stammheimer Häftlings Baader im UKW -Bereich zu untersuchen.
Die Ingenieurgruppe des BMI , eine besonders geheime Spezialistengruppe, arbeitete auch für das BKA . Sie machte bereits 1972 den Kollegen Vorschläge, wie man geheime Kassiber aus bis zu 200 Metern Entfernung mit Hilfe von Parabolspiegeln lesbar machen könnte.
Es war eine vorbildliche, wenn auch streng geheime Zusammenarbeit von bundesdeutschen Geheimdiensten. Selbst die Zentralstelle für das Chiffrierwesen in Bonn, abgekürzt ZfCh, eine Unterabteilung des Bundesnachrichtendienstes, mischte mit und half beim Dechiffrieren von verschlüsselten RAF -Kassibern.
In der ersten Abhörphase 1975 in Stammheim hatten die Lauscher direkt im siebten Stock neben den Besucherzellen gesessen und dort ihre Tonbandgeräte laufen lassen. Danach siedelte man offenbar in das Prozeßgebäude, die sogenannte Mehrzweckhalle, um. Dort gab es einen Technikraum, mit Monitoren und Tonbandgeräten sowie Fernmeldeeinrichtungen ausgestattet. Hier hatten mehrere Dienststellen ihren Arbeitsplatz, wie aus einem Erweiterungsantrag von 1975 hervorgeht: Landeskriminalamt, Verfassungsschutz und BKA , angesiedelt in den Räumen 139 bis 142 .
40. Der letzte Auftritt der Angeklagten
( 187 . Tag, 29 . März 1977 )
Dr. Foth konnte mit einem ergänzenden Schreiben des baden-württembergischen Justizministers Bender aufwarten.
»Ich versichere vorweg«, schrieb der Minister, »daß ich volles Verständnis für die Haltung des Senats und der Verteidigung habe.« Die beiden Abhörmaßnahmen seien aber als »Mittel der vorbeugenden Verbrechensverhütung rein präventiver Natur« gewesen und hätten somit keinen Bezug zum Stammheimer Prozeß.
Andreas Baader war im Gerichtssaal erschienen, hatte auf der Anklagebank Platz genommen und sich zu Wort gemeldet.
»Wollen Sie etwas erklären, Herr Baader, zu den Dingen, die wir hier jetzt verhandelt haben?« erkundigte sich der Vorsitzende.
»Ich weiß nicht, was Sie verhandelt haben«, sagte Baader.
»Jetzt unmittelbar haben wir verhandelt über die Abhörungen, die in der Vollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim stattgefunden haben. Also, wenn Sie was erklären wollen, dann haben Sie die Gelegenheit dazu.«
»Na gut, dann habe …«
»Ich bin ganz Ohr«, sagte Dr. Foth.
»… dann habe ich vor, einen Antrag zu stellen.«
»Bitte.«
»Und zwar – zum ersten Mal übrigens – Brandt und Schmidt als Regierungschefs zu laden zum Beweis …«
»Also die Herren Brandt und Schmidt«, wiederholte der Vorsitzende.
Baader legte einen langen Katalog von Themen vor, zu denen die beiden sozialdemokratischen Kanzler vernommen werden sollten. Die Regierungschefs würden bestätigen, daß die » RAF seit 1972 nach einer grundgesetzwidrigen und grundgesetzfeindlichen Konzeption der antisubversiven Kriegführung« verfolgt worden sei.
Zusätzlich beantragte Baader, die baden-württembergischen Minister Bender und Schiess als Zeugen zur Abhöraffäre zu laden. Unter anderem könnten sie darüber aussagen, daß die Meldung einer angeblich in Stuttgart geplanten Geiselnahme auf einem Kinderspielplatz eine gezielte Falschinformation sei.
Andreas Baader verließ den Sitzungssaal. Es war sein letzter Auftritt vor Gericht.
Jan-Carl Raspe erschien. Auch er wollte einen Antrag stellen.
»Ja, also, dann schießen Sie mal los«, sagte der Vorsitzende.
»Wir beantragen, Maihofer zu laden. Zur Klärung der Frage, ob auch die Zellen der Gefangenen abgehört wurden. Wir beantragen weiter, Kanzleramtschef Schüler als Koordinator der westdeutschen Geheimdienste und den BND -Präsidenten Wessel zu laden, zum Beweis, daß beide darüber informiert waren, daß die Abhöranlagen im siebten Stock kontinuierlich vom Bundesnachrichtendienst gewartet wurden – bis in jüngste Zeit. Weiterhin, daß der BND unkontrollierten und kontinuierlichen Zugang zum siebten Stock in Stammheim hatte.«
Auch der ehemalige Gerichtsvorsitzende Prinzing, so meinte Raspe, sei über die abgehörten Zellengespräche unterrichtet gewesen. Mehrfach habe der Richter nämlich wörtliche Zitate von Baader und Gudrun Ensslin wiedergegeben, die sie nur im internen Kreis geäußert hätten. Zudem seien die Zitate zuweilen den falschen Personen zugeordnet worden.
»Zum Beispiel«, so Raspe, »das Zitat, was eine Fälschung darstellt, einer von uns habe gesagt: ›Wir
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