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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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auch an solche, um deren Übernahme andere Länder uns bitten, gedacht.«
    Es sollte also tatsächlich eine größere Gruppe von Häftlingen aus dem Umfeld der RAF geschaffen werden, dafür hungerten die Gefangenen im Augenblick gerade zum vierten Mal. Der Hungerstreik wurde sofort abgebrochen.
     
    Um mehr Gefangene im sogenannten kurzen Trakt unterbringen zu können, begannen im Mai größere Umbauarbeiten. Es sollte eine in sich abgeschlossene Sicherheitsabteilung geschaffen werden, die die Zellen 715 bis 726 umfaßte.
    Am Eingang zum Hochsicherheitstrakt wurde eine besonders gesicherte Aufsichtskabine und daneben eine Sicherheitsschleuse eingerichtet. Das im April 1976 eingebaute »Telemat«-Alarmgerät wurde versetzt und durch eine zweite Anlage ergänzt, so daß der Korridor zwischen den beiden Zellenreihen lückenlos überwacht werden konnte. Die Beleuchtung auf dem achtzig Quadratmeter großen Flur wurde so verändert, daß sie die Funktion der Video-Überwachungsanlage nicht beeinträchtigte. Der von Siemens gebaute »Telemat« übertrug die Bilder vom Zellenflur auf zwei Monitoranlagen, von denen die eine in der Wachtmeisterkabine vor dem Sicherheitstrakt und die andere in der Torwache der Anstalt installiert war.
    Bei einer Bewegung im Korridor vor den Zellen gab die Anlage automatisch Alarm; an beiden Monitoren erfolgte ein Klingelzeichen, gleichzeitig leuchtete eine Lampe auf. Allerdings funktionierte die »Telemat«-Anlage nicht einwandfrei, das stellte sich später bei der Untersuchung nach den Todesfällen im Trakt heraus. So wurde der Alarm zum Beispiel nicht ausgelöst, wenn sich eine Person mit einer Geschwindigkeit von weniger als zehn Metern pro Minute, also im Zeitlupentempo, über den Flur bewegte. Außerdem konnte man sich, dicht an die Wand des Korridors geschmiegt, bewegen, ohne daß die Alarmanlage anschlug. Diese Effekte konnten theoretisch noch dadurch verstärkt werden, daß man die Phasen des Videobildvergleiches, mit dem die Anlage arbeitete, verlangsamte, den »Telemat« also gleichsam »entschärfte«, ohne ihn abzustellen. Das aber war nur eine theoretische Möglichkeit.
    Die Umbauarbeiten im siebten Stock zogen sich etwa sechs Wochen hin. Ausgeführt wurden sie von den anstaltseigenen Betrieben, der Anstaltsschreinerei, dem Malerbetrieb, der Schlosserei, der Elektrowerkstatt und dem Baukommando. Alle diese Betriebe arbeiteten mit Gefangenen aus verschiedenen Abteilungen der Vollzugsanstalt. So waren während der Umbauarbeiten zeitweise fünf Häftlinge für den Bautrupp, zwei für die Schreinerei, fünf für die Schlosserei und bis zu sechs für die Malerwerkstatt im Hochsicherheitstrakt tätig.
    Daß Gefangene, die sonst von den RAF -Gefangenen strikt getrennt gehalten wurden, nun plötzlich im Terroristentrakt ein und aus gingen, war im Stuttgarter Justizministerium angeblich nicht bekannt.
    Mitte Juni 1977 wurde nach Beendigung der übrigen Arbeiten die hölzerne Trennwand auf dem Flur abmontiert, mit der bisher der Korridor zwischen den Frauen- und den Männerzellen geteilt war. Die Einzelteile blieben auf dem Korridor so lange liegen, bis alles, was davon wiederverwendet werden konnte, verarbeitet war. »Es sah aus wie im Wilden Westen«, sagte später der Anstaltselektriker Halouska.
    Während dieser Zeit fand der tägliche vierstündige Umschluß der Gefangenen auf dieser Baustelle statt. Arbeitende Häftlinge, die Leiter der Anstaltswerkstätten, die BM -Gefangenen und deren Aufseher hielten sich oft gleichzeitig dort auf.
    Es entspannen sich Gespräche zwischen den inhaftierten RAF -Kadern und den für die Umbauarbeiten eingesetzten Häftlingen. Ein in der Malerwerkstatt beschäftigter Gefangener erzählte seinem Werkstattleiter nach Abschluß der Arbeiten, die BM -Gefangenen hätten ihn während seiner Tätigkeit »zur Ausbesserung ihrer Zellen um Farbe, Füllmaterial und Spachtel« gebeten.
    Auch die Zellen der RAF -Gefangenen wurden in dieser Zeit frisch gestrichen. Die im Umschlußflur herumstehenden Gefangenen Baader, Ensslin und Raspe redeten beim Mischen der Farbe mit und legten den Malern Farbmuster vor.
    Auf dem Flur lagen Baumaterialien wie Gips, Farbe, Holz und Werkzeuge frei herum. Einmal nahm Jan-Carl Raspe einen Hammer und zwei Schraubenzieher an sich. Der Leiter der Schlosserei merkte das, ging in Raspes Zelle und fand dort den vermißten Hammer. Einen der Schraubenzieher gab Raspe erst heraus, als der stellvertretende Anstaltsleiter Schreitmüller und

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