Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Amtsinspektor Bubeck ihm mit einer Zellenkontrolle durch das Landeskriminalamt drohten. Nach einigem Nachdenken kramte er am Nachmittag noch den zweiten verschwundenen Schraubenzieher hervor.
Fast alle Baumaterialien, die im siebten Stock Verwendung fanden, so zum Beispiel Gips in Säcken, wurden von außen bezogen und von einem Baustoffhändler angeliefert. Die Säcke wurden weder an der Gefängnispforte durchsucht, noch vor dem Transport in den siebten Stock einer Kontrolle unterzogen.
Einige der beim Umbau eingesetzten Gefangenen arbeiteten auch außerhalb der Anstalt. Zumindest theoretisch wäre es möglich gewesen, durch den Einsatz von etwas Geld und guten Worten über sie und über die Materiallieferung noch ganz andere Dinge als nur Gips in die »sicherste Haftanstalt der Welt« zu bringen.
Die Anstaltsleitung war während der »wilden vierzehn Tage« der Bauarbeiten von den dortigen Zuständen voll unterrichtet; sowohl der Anstaltsleiter als auch sein Stellvertreter überzeugten sich wiederholt persönlich vom Fortgang des Umbaus.
Als Amtsinspektor Bubeck dazu später im Untersuchungsausschuß befragt wurde, sagte er: »Selbstverständlich war mir die Problematik klar, die dadurch entsteht, daß die Gefangenen mit den arbeitenden Gefangenen Kontakt aufnehmen können, auch für einen späteren Zeitpunkt. Es wurde auch sehr häufig darüber diskutiert, wie diese Tatsachen umgangen werden konnten. Es kam eben zu keinem Ergebnis.«
Auch das Justizministerium, so Bubeck, sei über die Schwierigkeiten informiert gewesen. Vor dem Untersuchungsausschuß aber wollte später der damals Verantwortliche, Ministerialdirektor Dr. Kurt Rebmann, inzwischen Generalbundesanwalt, von nichts gewußt haben: »Daß sie dazu Gefangene einsetzten, habe ich auch jetzt erst erfahren. Das hätte ich nicht für möglich gehalten. Aber sie haben sie eingesetzt. Nun, ein Kontakt hat gleichwohl nicht stattgefunden, denn sie waren ja in den Zellen. Also sagen wir einmal: Ich gehe doch nicht davon aus, daß die Terroristen im Umschluß sitzen, und nun kommen Aufsichtsbeamte, kommen andere Gefangene und hauen da den Gips von den Wänden.«
»So war es!« riefen einige Abgeordnete ihm zu.
»Das haben Sie jedenfalls nicht angenommen, daß dieses möglich sei«, meinte der Ausschußvorsitzende.
»Meine Vorstellungskraft hätte das überschritten.«
Die Abgeordneten des Untersuchungsausschusses lachten.
Ende Juni 1977 war der Stammheimer Terroristentrakt auf diese Weise so sicher gemacht worden, daß der Belegung durch eine größere Gruppe nichts mehr im Wege stand.
Ingrid Schubert war schon am 3 . Juni des Vorjahres in den Hochsicherheitstrakt nach Stammheim verlegt worden. Brigitte Mohnhaupt war zur gleichen Zeit dort eingezogen. Irmgard Möller kam am 1 . Januar 1977 dazu. Einige Wochen später wurde Brigitte Mohnhaupt aus der Haft entlassen. Nach der Erweiterung des Traktes verstärkten drei Gefangene aus Hamburg die Stammheimer Gruppe. Es waren also acht Gefangene im siebten Stock untergebracht.
Wie sich erst später, nach dem Tod Baaders, Ensslins und Raspes, herausstellte, waren Werkzeug, Baumaterial und vermutlich auch Farbe von den Häftlingen beiseite geschafft worden. Zu dieser Zeit müssen sie die Verstecke in ihren Zellen angelegt haben, in denen Pistolen, Munition und Sprengstoff versteckt wurden.
45. Drei manierliche junge Leute
Am Dienstag nach Pfingsten 1977 , wenige Wochen nach dem Stammheimer Urteil, besuchte die Hamburger Rechtsanwaltstochter Susanne Albrecht die Familie des Bankiers Jürgen Ponto in Oberursel im Taunus. Ponto war Patenonkel einer ihrer Schwestern, sie selbst hatte nur losen Kontakt zu dem Chef der Dresdner Bank, hatte aber ein paar Jahre zuvor schon einmal dort übernachtet.
Am 1 . Juli kam Susanne erneut, diesmal unangemeldet, zu Besuch. Sie unterhielt sich längere Zeit mit Pontos Tochter Corinna und erkundigte sich beiläufig nach Alarmanlagen, dem Hauspersonal und der Anzahl der Hunde. Knapp einen Monat später rief sie bei Pontos an und sagte, sie würde gern mit »Onkel Jürgen« sprechen. Ponto war nicht zu Hause, und seine Frau sagte, Susanne möge bitte abends gegen halb neun zurückrufen. Als sie sich erst um halb elf meldete und fragte, ob sie auch zu dieser späten Zeit vorbeikommen dürfe, antwortete Frau Ponto: »Susanne, mein Schätzchen, du wolltest doch um halb neun anrufen, jetzt gehen wir zu Bett.« Am nächsten Tag könne sie um 16 . 30 Uhr zu einer Tasse
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