Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
nichts, man geht immer mit nüchternem Magen in Aktion.« Das hatten sie irgendwo bei Che Guevara gelesen: Wenn du etwas gegessen hast und einen Bauchschuß bekommst, bist du tot. Boock: »Erstens, saubere Unterwäsche, zweitens, nüchterner Magen.«
Boock bestellte einen Krapfen, biß ihn kurz an der Ecke an und ließ ihn dann liegen. Er trank Kakao, um den Magen zu beruhigen. Dann klingelte das Telefon. Der Wirt hob ab und fragte in den Raum, ob ein Herr Müller da sei. Stefan Wisniewski nahm den Hörer. »Mendocino«, hieß es vom anderen Ende der Leitung. »Mendocino«, sagte Wisniewski, »es geht los.«
Sie wußten, daß sie noch zehn Minuten Zeit hatten. Einer zahlte. Dann stiegen Willy Peter Stoll und Stefan Wisniewski in den gelben Mercedes. Sieglinde Hofmann und Boock fuhren im VW -Bus hinterher. Sie bogen in die Vincenz-Statz-Straße ein und postierten den gelben Mercedes. Er sollte als Rammwagen dienen und den Konvoi mit Schleyer zum Stehen bringen. Boock stellte den VW -Bus, mit dem Schleyer abtransportiert werden sollte, am Alleenring ab und half seiner Begleiterin Sieglinde Hofmann, den Kinderwagen auszuladen. Dann gingen sie nach vorn zur Straßenecke. Von dort aus konnten sie das Rammfahrzeug gut sehen. Sie stellten sich lässig in Position, so, als hätten sich gerade zwei Bekannte getroffen: »Hallo, grüß Gott, und das Baby ist auch dabei …«
Am späten Nachmittag verließ Schleyer das Büro, um sich zu seiner Wohnung in Köln-Braunsfeld, Raschdorffstraße 10 , bringen zu lassen. Am Steuer des 450 er mit dem Kennzeichen K – VN 345 saß wieder sein Fahrer Marcisz. In einem zivilen Polizeiwagen folgten die zu Schleyers Schutz eingeteilten Beamten Reinhold Brändle, 41 , Roland Pieler, 20 , und Helmut Ulmer, 24 .
Gegen 17 . 25 Uhr durchfuhr die Kolonne in westlicher Richtung stadtauswärts die Friedrich-Schmidt-Straße, in die von rechts die Raschdorffstraße einmündet. Die Straße, in der Schleyer wohnte, war eine Einbahnstraße. Die beiden Wagen mußten einen Bogen fahren, um zu Schleyers Wohnung zu gelangen.
»Da sind sie«, sagte Sieglinde Hofmann. Boock nahm seine Waffe aus dem Kinderwagen und steckte sie unter seine Jacke. Sieglinde Hofmann schob den Kinderwagen ein Stück weiter. Die Falle war geöffnet.
Unmittelbar nach dem Einbiegen in die Vincenz-Statz-Straße, die parallel zur Raschdorffstraße verläuft, mußte Schleyers Fahrer plötzlich hart in die Bremsen steigen. Vor ihm auf der Straße stand ein blauer Kinderwagen, daneben, halb auf dem Gehweg, ein gelber Mercedes mit Kölner Kennzeichen. Der Wagen mit den drei Polizeibeamten fuhr auf Schleyers Wagen auf.
Als die Wagen aufeinanderprallten, begann die Schießerei. Das Kommando feuerte aus allen Rohren. Später konnte sich Boock kaum noch erinnern, wer auf was geschossen hatte: »Es war fast wie ein einziger Knall, es war irre laut. Das lag daran, daß wir zwei HK - 43 -Sturmgewehre benutzt hatten, ohne Mündungsdämpfer.« In wenigen Sekunden war allein aus dieser Waffe ein ganzes Magazin mit dreißig Schuß abgefeuert worden. Ein Moment völliger Ruhe trat ein. Dann begannen Schleyers Begleiter zurückzuschießen. Boock sah, wie Sieglinde Hofmann in die Knie ging. Er konnte nicht sehen, ob sie getroffen war oder nicht. »Ich bin dazugerannt. Ich kann nicht sagen, ob ich schon im Rennen geschossen habe oder erst, als ich auf der Höhe der Fahrzeuge war. Im gleichen Moment kam Willy Peter Stoll, sprang auf die Motorhaube des Begleitfahrzeugs und schoß das gesamte Magazin in das Fahrzeug hinein.« Er war mitten in Boocks Feuerlinie gelaufen und beinahe von dessen Kugeln getroffen worden. Dann war wieder Stille.
Stoll stand noch auf der Motorhaube, den Verschluß des großkalibrigen Repetiergewehres offen. Das Magazin war leer, aber Boock hörte es noch klicken. In die Stille hinein sagte einer aus dem Kommando: »Das ist schiefgegangen, die sind alle tot.« Auch Boock dachte, daß niemand diese Schießerei überlebt haben könnte, und lief zurück, um den Wagen zu holen. Als er den VW -Bus zurücksetzte, sprang die nur angelehnte Schiebetür auf, und Boock konnte sehen, wie Willy Peter Stoll und ein anderes Gruppenmitglied Schleyer auf das Fahrzeug zu schleppten. Auch die anderen sprangen in den Bus und drückten den Arbeitgeberpräsidenten auf den Boden. Stoll hatte sich neben Boock auf den Beifahrersitz geworfen: »Los jetzt, fahren!« Als Boock Gas gab, sah er, daß die Ampel an der nächsten Kreuzung auf Rot
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