Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Besuch des Schahs von Persien Sicherheitsvorkehrungen geschaffen, die an polizeistaatliche Praktiken erinnerten. Oppositionelle Perser waren ohne irgendeine Rechtsgrundlage in Vorbeugehaft genommen worden. Die Autobahnen, auf denen sich der kaiserliche Wagenkonvoi durch die Republik bewegte, wurden für normalen Autoverkehr gesperrt. Der Schah erlebte das Vergnügen, über eine völlig leere Autobahn zu fahren – während sich auf der gegenüberliegenden Fahrbahn der Verkehr bis zum Stillstand staute.
Am Morgen des 2 . Juni flog Reza Pahlevi nach Berlin. Schahtreue Perser hatten die Erlaubnis erhalten, ihren Kaiser mit Fahnen und Jubelgeschrei auf dem Flughafen zu begrüßen.
Gegen 14 . 30 Uhr fanden sich die Majestäten im Schöneberger Rathaus ein, um von dort aus der Berliner Bevölkerung zuzulächeln. Auf dem Platz vor dem Rathaus hatten sich Hunderte von Studenten zu einer Demonstration versammelt, zurückgehalten von rot-weiß-gestreiften Eisengittern. Dahinter patrouillierten Polizeibeamte, verstärkt durch Schahanhänger, überwiegend Agenten des iranischen Geheimdienstes Savak. Sie waren mit langen Holzlatten ausgerüstet. Kaum regten sich aus der Menge der Demonstranten Protestchöre, »Schah, Mörder«, »Mo-Mo-Mossadegh«, die an den vom Schah gestürzten Regierungschef erinnern sollten, kaum flogen ein paar Farbeier, zu kurz geworfen, um den Schah zu treffen, da schlugen die »Jubelperser« zu. Mit ihren Holzknüppeln prügelten sie wahllos und hemmungslos auf die Demonstranten ein. Blut floß, Studenten gingen zu Boden. Und die deutsche Polizei sah teilnahmslos zu, machte keine Anstalten, die Knüppelei zu beenden.
Erst nach mehreren Minuten griff die Polizei ein – auf der Seite der Perser. Die iranischen Latten und Stahlruten wurden durch deutsche Gummiknüppel ergänzt. Die persischen Schläger wurden weder festgenommen, noch wurden ihre Personalien festgestellt.
Am Abend fuhren sie in zwei Sonderbussen in der Kolonne der Ehrengäste zur Deutschen Oper, wo das Kaiserpaar einer Aufführung der »Zauberflöte« lauschen sollte. Wieder durften sich die zum Teil mit Pistolen und Ausweisen des Geheimdienstes ausgerüsteten »Jubelperser« vor der Absperrung formieren und sich später an der Jagd der Polizei auf Demonstranten beteiligen.
Um 19 . 56 Uhr war es soweit. Das Kaiserpaar rollte im Mercedes 600 vor das Opernportal. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, gut dreißig Meter von den Staatsgästen entfernt, wurden wieder Sprechchöre laut: »Schah, Schah, Scharlatan«, »Mörder, Mörder«. Tomaten, Farbeier und Mehltüten zerplatzten auf der Fahrbahn, weit weg vom kaiserlichen Ziel. Vereinzelt flogen Steine. Unversehrt erreichten Schah und Schahbanu die Oper. Der Berliner Polizeipräsident Erich Duensing und sein Kommandeur der Schutzpolizei, Hans-Ulrich Werner, konnten ebenfalls die Aufführung besuchen. Sie hatten ihre Aufgabe erfüllt.
Langsam rückten die Demonstranten ab, wollten sich auf die umliegenden Kneipen verteilen und um 22 . 00 Uhr nach Schluß der Mozart-Aufführung zur Verabschiedung des Schahs neu versammeln. Plötzlich fuhren Krankenwagen auf, vierzehn insgesamt. Die Polizeibeamten, die sich in einer Reihe vor den Demonstranten aufgebaut hatten, zogen die Knüppel. Einige Schaulustige versuchten, über die Absperrgitter zu entkommen, wurden aber zurückgetrieben.
Dann stürmte die Polizei. Ohne die gesetzlich vorgeschriebene Warnung prügelten die Beamten los.
Polizeichef Duensing erhob sich zu Ehren des Kaiserpaares von seinem Platz und lauschte der persischen Nationalhymne; er wußte, was sich in diesen Minuten vor der Oper abspielte. Schon zuvor hatte er den Einsatzbefehl gegeben. Er nannte das Leberwursttaktik: »Nehmen wir die Demonstranten als Leberwurst, dann müssen wir in die Mitte hineinstechen, damit sie an den Enden auseinanderplatzt.«
Es setzte die brutalste Knüppelei ein, die man bis dahin im Nachkriegsberlin erlebt hatte.
Blutüberströmt brachen viele Demonstranten zusammen. Eine junge Hausfrau schlug unter den Hieben lang auf die Straße, wurde von Polizisten aus dem Getümmel getragen und fand ihr Foto am nächsten Tag in der Zeitung wieder, versehen mit der Unterzeile, tapfere Polizisten hätten sie aus dem Steinhagel entmenschter Demonstranten gerettet. Die Krankenwagen füllten sich in wenigen Minuten. Demonstranten rannten in panischer Angst davon – soweit sie von der Polizei nicht daran gehindert wurden.
Als Polizeipräsident Duensing
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