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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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ich wußte noch nicht einmal verläßlich, ob ein Mensch und wer erschossen sei. Ich mußte meine Frau heil nach Hause bringen. Ich war todmüde, angeekelt von allem, was geschehen war. Aber ich werde die Schuld für dieses persönliche Versagen tragen müssen, bis ich vor meinem ewigen Richter stehe.«
    Am nächsten Morgen mußte Albertz den Schah zum Flugzeug bringen. Er fragte ihn, ob er von dem Toten gehört habe. »Ja, das sollte Sie nicht beeindrucken, das geschieht im Iran jeden Tag«, antwortete der Schah.
    Geschlagen, verzweifelt und voller Haß trafen sich viele der Demonstranten noch in der Nacht im Berliner SDS -Zentrum am Kurfürstendamm. Erregt wurde hin und her diskutiert, wie man auf den Tod Benno Ohnesorg reagieren könnte. Eine junge Frau, schlank, mit langen blonden Haaren, weinte hemmungslos und schrie: »Dieser faschistische Staat ist darauf aus, uns alle zu töten. Wir müssen Widerstand organisieren. Gewalt kann nur mit Gewalt beantwortet werden. Dies ist die Generation von Auschwitz – mit denen kann man nicht argumentieren!« Gudrun Ensslin traf damit etwas, was viele fühlten und dachten.
    Am nächsten Tag war sie dabei, als eine Gruppe von acht Studenten und Studentinnen auf dem Kurfürstendamm eine Protestaktion unternahm, obwohl ein generelles Demonstrationsverbot verhängt war.
    Peter Homann, der in Hamburg Kunst studiert hatte und 1962 nach Berlin gezogen war, hatte eine Idee, wie das Verbot, Transparente zu zeigen, unterlaufen werden konnte. Es wurden Großbuchstaben auf weiße T-Shirts gemalt. Jeder trug auf seinem Hemd einen Buchstaben. Nebeneinander stehend ergab dies den Namen des Regierenden Bürgermeisters: A – L – B – E – R – T – Z, dazu ein Ausrufezeichen. Auf ein Signal hin drehten sich einige um die eigene Achse oder tauschten die Position. Jetzt setzten sich die Buchstaben zu dem Wort A – B – T – R – E – T – E – N zusammen. Am Abend wurde die Aktion bundesweit im Fernsehen gezeigt: »Albertz abtreten!« Fotos erschienen in den Tageszeitungen. Gudrun Ensslin stand rechts außen, in Minirock und weißen Stiefeln.
    Es war eine der ersten Begegnungen Homanns mit Gudrun Ensslin: »Sie war für mich zuallererst eine Pastorentochter. Sie machte zum Beispiel so Geschichten: Man mußte einen Finger in die Bibel stecken, und dann fing sie an, aus dem Kapitel, was man aufgeschlagen hatte, eine Exegese zu machen, und – also es spielte sich alles noch in diesen … es war zwar die Studentenbewegung, eine andere Zeit, aber sie hatte diese Dinge immer noch drauf.«
    Im September 1966 hatte Bernward Vesper, der Verlobte Gudrun Ensslins, das Angebot erhalten, als Lektor zum Luchterhand-Verlag zu gehen. Aus Freude darüber, sagte Gudrun ihrem Vater, hätten sie ganz bewußt ein Kind gezeugt.
    Zwei Monate vor der Geburt lehnte Gudrun es plötzlich ab, Bernward Vesper zu heiraten. »Der spinnt«, erklärte sie ihrem Vater. Helmut Ensslin hatte Verständnis dafür, auch er hatte Gudruns Verlobten als eine etwas ausgefallene Persönlichkeit kennengelernt: »Bernward war mal schroff, messerscharf, mal liebenswürdig, wie heiß und kalt von einem auf den anderen Moment.«
    Am 13 . Mai 1967 kam das Kind zur Welt. »Ein wenig früher, also sehr klein und zart«, schrieb Gudrun in ihrem Semesterbericht für die Studienstiftung. Sie hoffe zwar, ihre Doktorarbeit im nächsten Jahr beendet zu haben, das sei aber auch von der Beanspruchung durch das Kind abhängig. Außer von ihrem Sohn seien die Monate seit Juni fast völlig durch die politischen Ereignissen in Westberlin beansprucht worden. »Ich habe aktiv an zahlreichen Aktionen, deren Vorbereitung und Auswertung teilgenommen und bin der Meinung, ich sollte das auch weiterhin tun.«
     
    Während der politisch heißen Wochen und Monate vor und nach dem Schahbesuch war Andreas Baader nicht in Berlin. Er saß in Traunstein eine Jugendstrafe wegen Fahrens ohne Führerschein und Motorraddiebstahls ab. Im Sommer 1967 tauchte er plötzlich wieder auf.
    Der Kreis, der das Buchstabenballett »Albertz! – Abtreten« aufgeführt hatte, traf sich in der Wohnung Bernward Vespers, der damals noch mit Gudrun Ensslin zusammenlebte.
    Es wurde Haschisch geraucht. Andreas Baader war an diesem Abend dabei und lernte Gudrun Ensslin kennen.
    Man überlegte sich, welche Aktion für die nächste Zeit in Angriff genommen werden könnte. Jemand kam auf die Idee, ein riesiges Transparent mit der Aufschrift »Enteignet Springer«

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