Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
werden, schließlich war nicht auszuschließen, daß Schleyer in einem solchen dunklen Verlies gefangengehalten wurde. Gerhard Boeden standen dafür rund 300 Kriminalbeamte des Bundes zur Verfügung.
ZEL 3 unterstand dem Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder und war zuständig für die Gesamtkontrolle der Straßen, der Bahn, der Flughäfen, der Großwohnanlagen und des Fernmeldewesens.
Hinzu kamen die gesamten Länderpolizeien, die teilweise in Zusammenarbeit mit dem BKA , teilweise auf eigene Faust ermittelten.
Es war die intensivste Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen, die es in Deutschland je gegeben hatte.
Praktisch über Nacht waren die Befehlsstrukturen der Polizei verändert worden. Nicht mehr die eingespielten Länderpolizeien entschieden jetzt an Ort und Stelle, was getan werden mußte. Alles lief über das BKA und den Generalbundesanwalt. Das Chaos bahnte sich schon am ersten Tag an.
Tatzeit war 17 . 28 Uhr. Knapp eine Stunde später versuchte der Leiter des 14 . Kommissariats im Polizeipräsidium Köln, den Generalbundesanwalt Dr. Kurt Rebmann zu erreichen, vergeblich. Auch sechs Minuten später meldete sich in Karlsruhe nicht einmal die Vermittlung. Erst um 18 . 35 Uhr bekam er den Bundesanwalt Fischer in dessen Privatwohnung ans Telefon. Um 19 . 23 Uhr, zwei Stunden nach der Entführung, hatte der Generalbundesanwalt endlich das Verfahren übernommen. Gegen 22 . 00 Uhr versuchte Rebmann, eine vom nordrhein-westfälischen Innenminister Burkhard Hirsch angesetzte Pressekonferenz zu verbieten. Der weigerte sich und mußte bei dem weltweit aufsehenerregenden Ereignis auf die Anwesenheit des Generalbundesanwalts als »Herr des Verfahrens« verzichten. Auch eine Unterrichtung vor Ort hielt Rebmann offenbar für überflüssig, dafür zeigte er bei Interviews und Presseerklärungen später auffällige Wissenslücken.
Obwohl mit der Übernahme des Verfahrens durch Karlsruhe auch das Bundeskriminalamt förmlich für die Ermittlungen zuständig war, kümmerte sich der Leiter der BKA -Sonderkommission nicht um die Einrichtung einer Einsatzleitung im Polizeipräsidium Köln. Stundenlang bemühte sich die Kripo in Köln vergeblich, einen verantwortlichen Gesprächspartner im BKA zu erreichen. Erst um 22 . 45 Uhr konnte der inzwischen von Bundesinnenminister Maihofer eingesetzte Soko-Leiter Trittin aufgestöbert werden. Der Direktor des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen, Hamacher, »ersucht den Soko-Leiter BKA dringend, sich endlich zum Polizeipräsidium Köln zu begeben, um dort eine Einsatzleitung BKA aufzubauen«. So hieß es später in einem internen Papier aus der Polizei Nordrhein-Westfalen, das die Mängel der Zusammenarbeit mit BKA und Bundesanwaltschaft auflistete. Gegen Mitternacht war das BKA mit seinen dürftigen Kräften im Kölner Polizeipräsidium immer noch nicht in der Lage, die eintreffenden Hinweise zu bearbeiten. Es wurde deshalb eine Trennung nach örtlichen und überörtlichen Hinweisen vorgenommen, die einen wurden von den lokalen Polizeidienststellen abgeklärt, die anderen an die Abteilung Terrorismus ( TE ) des BKA weitergeleitet.
Erst acht Stunden nach der Tat stand die Einsatzleitung des BKA in Köln. Sie war mit zunächst nur drei bis vier Beamten viel zu schwach besetzt. Zwischen 2 . 00 und 3 . 00 Uhr morgens wurden alle bis dahin eingegangenen Spuren, Hinweise, Berichte, Fernschreiben und sonstigen Unterlagen an den Soko-Leiter BKA , Kriminaldirektor Trittin, übergeben. Der gab den Einsatzkräften einen Sachstandsbericht, der laut Kölner Kripo-Papier »jede Klarheit« vermissen ließ. Diese »bedauerliche Desinformation« setzte sich fort bei der durch das Fernsehen übertragenen Pressekonferenz des Generalbundesanwaltes. Bei den Einsatzkräften herrschte »helle Empörung«.
Entsprechend dem organisatorischen Durcheinander verlief die Spurenerfassung. Am Morgen warteten 300 Einsatzkräfte der Polizei darauf, inzwischen eingegangene Anhaltspunkte zu prüfen, aber das BKA war mit deren »Verkarten«, das heißt der computergerechten Aufarbeitung, noch nicht fertig. Dadurch konnten Hinweise nicht miteinander verglichen werden, und es kam zu zahlreichen Mehrfachüberprüfungen. In dem Polizeipapier heißt es: »Es sind aufgrund dieser Situation in Einzelfällen Hinweisgeber bis zu sechsmal befragt worden.«
Manche verdächtigen Objekte wurden mehrfach überprüft. Eine Eingabe in den PIOS -Computer war durch die schleppende Speicherung
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