Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Auskunft.«
Der Beamte wies auf die besondere Situation hin, und nach einigem Zögern sagte der Hausmeister: »Der Name ist Annerose Lottmann-Bücklers. Von Beruf Modezeichnerin, geschieden. Sie ist aus der Bismarckstraße in Wuppertal hierhergezogen.«
Polizeihauptmeister Schmitt bedankte sich und fuhr zur Polizeistation. Er war wie elektrisiert. Hier paßte alles: »Bekannt war, daß diese Entführer, die den Herrn Schleyer entführt hatten, sich ihr Leben finanzierten, indem Banken überfallen worden waren und auf andere mögliche Art und Weise an fremdes Eigentum herangetreten wurde. Jeder vernünftige Mensch geht nicht eine Wohnung mieten und schleppt soviel Geld mit sich rum, oder doch? Und aus diesem Grunde war ich fest davon überzeugt, daß diese Herrschaften von Köln nach hier gekommen waren. Sie konnten von Köln die Bundesautobahn benutzen, Abfahrt Erftstadt, von der Abfahrt bis hierhin zum Renngraben, das waren genau 1 , 6 Kilometer.«
Die Mieterin mit dem Namen Lottmann-Bücklers war offenkundig eine ganz heiße Spur. Noch nicht einmal 48 Stunden nach der Entführung Hanns Martin Schleyers hatte die örtliche Polizei eine Wohnung aufgespürt, auf die alle Kriterien zutrafen und bei deren Anmietung einiges suspekt war.
Um 15 . 00 Uhr setzte die Polizei Erftstadt ein Fernschreiben an die Leitung der Schutzpolizei des Oberkreisdirektors Bergheim ab, in dem auf das Appartement 104 im Hochhaus Zum Renngraben 8 hingewiesen wurde. Es dürfte also knapp zwei Stunden gedauert haben, bis diese erkennbar heiße Spur an die vorgesetzte Dienststelle weitergegeben wurde. Beim Oberkreisdirektor Bergheim wanderte das Fernschreiben zunächst zur Abteilung »K« (Kripo), wo es weiterbearbeitet werden sollte. Es wurde jedoch weder der Name Annerose Lottmann-Bücklers überprüft, noch festgestellt, ob die Daten, die sie bei dem Vermieter angegeben hatte, stimmten.
Hätte man das getan, wäre sofort herausgekommen, daß die von der Frau angegebene Adresse in Wuppertal, Bismarckstraße 8 , schon deshalb nicht stimmen konnte, weil dort die Hausnummern erst mit der Nummer 11 beginnen. Auch war sie unter dieser Adresse nicht gemeldet. Dafür hatte eine in Hamburg gemeldete Annerose Lottmann-Bücklers schon viermal einen Personalausweis beantragt, zweimal hatte sie ihn nach eigenen Angaben verloren, einmal war er ihr angeblich gestohlen worden. Wenn zudem Herolds PIOS -Computer befragt worden wäre, hätten sich noch mehr Hinweise ergeben, daß mit diesem Namen etwas nicht stimmte. Insgesamt fast ein halbes Dutzend Verknüpfungspunkte mit der RAF -Szene hätte Herolds Superhirn liefern können. Doch wenn der Computer nicht befragt wird, kann er auch nicht antworten.
Nun prasselten zwar von allen Seiten Hinweise auf die Polizei ein, aber in diesem Fall hatten nicht irgendwelche Bürger vage Hinweise gegeben. Hier hatte ein Polizeibeamter selbst ermittelt – und etwas offenkundig Brisantes entdeckt.
Um 10 . 00 Uhr morgens ließ BKA -Präsident Herold eine neue Nachricht an die Entführer über die Rundfunkanstalten verbreiten: »Das Bundeskriminalamt ist beauftragt zu prüfen, ob Herr Schleyer noch lebt …« Dazu müßten untrügliche Lebenszeichen nachgewiesen werden. In den Nachmittagssendungen des Hörfunks werde die Polizei entsprechende Fragen stellen.
Gegen 14 . 00 Uhr schaltete sich das BKA wieder in die Rundfunksendungen ein und verlangte von den Entführern ein Tonband, auf dem Schleyer persönliche Antworten geben solle, die nur er selbst wissen konnte: »Wie lautete der Kosename von Edgar Obrecht? Wie heißt die Euler-Enkelin, und wo lebt sie?«
Horst Herold hatte sich auf die konspirativen Verhaltensweisen der Entführer eingestellt. Fragen wie diese und die entsprechenden Antworten darauf wurden im Verlauf der nächsten sieben Wochen immer wieder an die Entführer und ihre Geisel gestellt; nicht nur um ein Lebenszeichen des Entführten zu erhalten, sondern auch als »Identifikation« der Entführer.
Unmittelbar nachdem das BKA im Rundfunk die Entführer aufgefordert hatte, ein Lebenszeichen ihrer Geisel zu übermitteln, sagte einer von ihnen – das Gericht ging später in seinem Urteil davon aus, daß es Peter-Jürgen Boock gewesen sei – zu Schleyer: »Die wollen nachher – das ist wohl Teil der Verzögerungstaktik – Fragen stellen, die du beantworten sollst, damit’s eindeutig ist, daß du noch existent bist.«
»Ist das durchgegeben worden?« fragte Schleyer.
»Ja, ja,
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