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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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»Darf ich fragen, wie Sie überhaupt zu der Auffassung kommen, daß das eine Aufforderung zur Brandstiftung sein soll?«
    »Was soll das heißen?« fragte der Richter.
    »Das heißt, daß wir Leute, die sich zur Brandstiftung aufgefordert fühlen, nur für blöd halten können – und da hat sich das Gericht ja sehr hervorgetan.«
    Lachen bei den Zuschauern.
    Langhans erklärte, wie der Gedanke, das Flugblatt zu entwerfen, entstanden war: »An dem Morgen haben wir die Zeitung geholt, da waren die schrecklichen Bilder drin von dem Warenhausbrand in Brüssel. Großartige Bilder für den, der sie gemacht hat. Und dann kamen die Hinweise, es könnte Brandstiftung dahinterstecken. Und das war dann die Idee. Wir haben uns gefragt, wie man das konkretisieren könnte. Dazu haben wir das erst mal durchgespielt.«
    »Durchgespielt?« fragte der Richter. »Wie man ein Kaufhaus in Brand setzt?«
    Langhans kam ins Stottern: »Natürlich … natürlich nicht. Sondern wie man den Leuten klarmachen könnte, welche Zusammenhänge da bestehen. Wir haben das dann geschrieben und vervielfältigt.«
    Der Richter stellte fest: »Geschrieben haben Sie: Dieses knisternde Vietnamgefühl, das wir in Berlin bislang noch vermissen mußten – das ist doch ein Wunsch?«
    Langhans machte einen Rückzieher: »Ich weiß nicht, ob Sie das gemerkt haben, hier ist doch die Sprache der Werbung parodiert worden. Wir haben versucht, die Dinge in Form von Fiktionen zu schildern, in einer persiflierenden Sprache.«
    »Wir Älteren haben noch brennende Häuser erlebt«, sagte der Richter.
    »Sie haben es aber vergessen«, erwiderte der Kommunarde.
    Der Beisitzer mischte sich ein: »Sie behaupten, die Flugblätter sind nicht ernst gemeint. Wollen Sie bitte sagen, wo der Scherz beginnt?«
    Am 22 . März 1968 wurden die Angeklagten Fritz Teufel und Rainer Langhans auf Kosten der Staatskasse freigesprochen. Zwar hätten die Angeklagten den objektiven Tatbestand der – erfolglosen – Aufforderung zu strafbaren Handlungen erfüllt, es sei ihnen aber nicht nachzuweisen, daß sie dieses auch gewollt hätten.
    Das Flugblatt, mit dem die Kommunarden zur Warenhausbrandstiftung aufgerufen hatten, wurde als Satire gewertet. Es fand literarische und praktische Nachahmer.
    Thorwald Proll, Sohn eines Architekten, Student in Berlin, schrieb ein Gedicht in sein Tagebuch, das später vom Frankfurter Gericht als Beleg für die »Vorstellungswelt des Angeklagten« zitiert wurde:
    »Wann brennt das Brandenburger Tor?
    Wann brennen die
    Berliner Kaufhäuser
    Wann brennen die Hamburger Speicher
    Wann fällt der Bamberger Reiter
    Wann pfeifen die
    Ulmer Spatzen
    auf dem letzten Loch
    Wann röten sich die Münchner
    Oktoberwiesen …«
    Proll hatte sich mit Gudrun Ensslin und Andreas Baader angefreundet. In der Woche, in der Teufel und Langhans freigesprochen wurden, besuchten sie die »Kommune  I « und kündigten den Schritt von der Theorie zur Praxis an.
    Baaders Vorschlag, mit dem KaDeWe in der Tauentzienstraße zu beginnen, wurde sogar von Dieter Kunzelmann abgelehnt. Angeblich sagte er: »Wenn ihr das hier macht, gehe ich zur Polizei.« Auch Baaders Exfreundin Ello M. war strikt gegen eine Brandstiftung in Westberlin. So beschlossen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Thorwald Proll, nach Westdeutschland zu fahren, um in dortigen Kaufhäusern zu zündeln.
    Sie fragten auch, ob irgend jemand mitmachen wolle. Keiner hatte Lust, bis auf Bommi Baumann. Ihm paßte die Sache nur nicht in den Terminkalender.
    Proll, Ensslin und Baader reisten also allein und fuhren zunächst nach München, um dort einen alten Freund Baaders zu besuchen, Horst Söhnlein, der damals das »Action-Theater« leitete. Zu viert setzten sie sich in einen geliehenen Volkswagen und fuhren Richtung Norden. Im Gepäck lagen mehrere Brandsätze, gebastelt aus Plastikflaschen und Benzin, Reisewecker plus Taschenlampenbatterie und Glühzünder, eingebettet in selbstgemischten Sprengstoff. Das Ganze umwickelt mit Tesafilm und Tesakrepp.
    In Stuttgart-Bad Cannstatt machten sie kurz Station in Gudruns Elternhaus.
    Am Dienstag, dem 2 . April 1968 , kamen sie gegen 5 . 30 Uhr in Frankfurt an. Müde machten sie sich auf die Suche nach einer Unterkunft.
    Am Nachmittag bummelten sie gemeinsam durch das Stadtzentrum und besichtigten einige Kaufhäuser in der Nähe der Hauptgeschäftsstraße, der Zeil. Andreas Baader und Gudrun Ensslin fuhren im »Kaufhaus Schneider« mit der Rolltreppe zur Möbelabteilung in den

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