Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Isolation, mit denen wir systematisch kaputtgemacht werden.«
Es sei ja der Sinn des Besuches, meinten die Pfarrer, sich über die Haftsituation zu informieren. Solche Gespräche könnten aber nur in Gegenwart beider Geistlicher geführt werden.
»Ach, so ist das. Sie müssen sich gegenseitig kontrollieren«, sagte Baader.
Inzwischen waren Vollzugsbeamte mit dem Essenwagen vorgefahren, und die Pfarrer verabschiedeten sich: »Herr Baader, Sie wissen um unsere Gesprächsbereitschaft, und wenn Sie diese in Anspruch nehmen wollen, dann lassen Sie es uns bitte wissen.«
Auf dem römischen Flughafen war der »Landshut« ein rund tausend Meter vom Flughafengebäude entfernter Halteplatz zugewiesen worden. Gepanzerte Fahrzeuge umringten die Maschine. Der Chef der Entführer ließ über das Mikrophon in der Kanzel lange Tiraden auf englisch ab, von denen die Italiener im Tower des Flughafens die Sätze notierten: »Hier spricht Hauptmann Mohammed. Das Flugzeug der deutschen Gesellschaft ist unter Kontrolle. Die Gruppe, die ich vertrete, fordert die Freilassung unserer Genossen, die in den deutschen Gefängnissen in Haft sind. Wir kämpfen gegen die imperialistischen Organisationen der Welt.«
In Bonn wurde Bundesinnenminister Maihofer informiert. Er ließ sich mit seinem italienischen Amtskollegen Cossiga verbinden und sagte ihm, die Luftpiraten würden vermutlich gemeinsame Sache mit den Schleyer-Entführern machen. Der Weiterflug der »Landshut« müsse auf jeden Fall verhindert werden. »Lassen Sie die Reifen durchschießen.«
Der Christdemokrat zögerte. Eine solche Frage müsse er erst mit anderen Politikern beraten. Cossiga rief den Chef der italienischen Kommunisten Enrico Berlinguer an, dessen Partei damals die christdemokratische Minderheitsregierung duldete. Berlinguer, ein entfernter Verwandter Cossigas, war entsetzt von der Vorstellung eines Blutbades auf italienischem Boden. Christdemokrat und Kommunist kamen überein, daß die Maschine so schnell wie möglich weiterfliegen müsse.
Die »Landshut« wurde aufgetankt. Flugkapitän Schumann erbat vom Tower die Wettermeldung für Zypern und eine Landeerlaubnis in Larnaka.
Um 17 . 42 Uhr startete die Boeing wieder, an Bord neunzig Gefangene, ihren Entführern hoffnungslos ausgeliefert. Es herrschte absolute Stille an Bord. »Wenn einer nur wisperte«, so erinnerte sich der Copilot später, »dann stürmte einer von den Terroristen dahin und hat sie angeschrien.«
Fluggast Diana Müll: »Der Kapitän Mahmud ist einfach durchgegangen, hat mit’m Ellenbogen in die Köpfe geschlagen oder denen den Pistolenlauf auf’n Kopf gehauen.«
Stewardeß Gabi von Lutzau: »Die Passagiere haben gehorcht. Was soll man denn auch machen. Wenn Ihnen jemand eine Pistole ins Gesicht hält, machen Sie das, was er sagt.«
In Bonn tagte der Kleine Krisenstab und beschloß, auch nach der Flugzeugentführung bei der harten Linie zu bleiben.
Staatsminister Wischnewski meldete sich beim Kommandanten der Grenzschutzeinheit GSG 9 , Ulrich Wegener: »Hör zu, da ist eine Maschine entführt worden, eine Lufthansa-Maschine auf dem Weg von Mallorca nach Frankfurt, macht euch mal fertig für den Einsatz.«
»Wann ist denn damit zu rechnen?«
Genau wußte Wischnewski das auch nicht: »Macht mal!«
Wegener später: »Das war für uns ein Klacks. Das gehörte zur Alarmrolle, daß man innerhalb kürzester Zeit fertig war.« Als Problem erwies sich eher die Frage, welche Einheit Wegener mitnehmen sollte: »Mit wollten alle, darüber war überhaupt kein Zweifel, wenn es losging.«
Um 19 . 55 Uhr wurde auf dem Frankfurter Flughafen eine Lufthansa-Maschine startklar gemacht. An Bord waren Beamte des Bundesinnenministeriums und vom BKA Gerhard Boeden. Bei einer Zwischenlandung in Köln/Bonn stieg gegen 22 . 00 Uhr eine Gruppe durchtrainierter junger Männer von der GSG 9 in Turnschuhen, Jeans und Pullovern zu, insgesamt dreißig, ausgerüstet mit Waffen, Handgranaten, Leitern und Sprengstoff. Fünf Jahre lang war die Spezialeinheit des Bundesgrenzschutzes zur Terroristenbekämpfung für den Ernstfall ausgebildet worden. Die Männer hatten gelernt, Flugzeuge innerhalb von Sekunden zu stürmen, waren im Nahkampf geübt, hatten sich von fliegenden Hubschraubern abgeseilt.
Als der Anruf aus dem Bundesinnenministerium kam, sie sollten sich für einen Einsatz fertigmachen, hatte kaum einer von ihnen geglaubt, daß es wirklich etwas zu tun geben würde. Zu oft hatten die
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