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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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zusammengepferchten Passagieren und Besatzungsmitgliedern klebten die Kleider am Körper. Die Stewardessen verteilten die wenigen übriggebliebenen Getränke in Plastikbechern an die Passagiere.
    Plötzlich fiel der Purserette Hannelore Piegler ein, daß ihre norwegische Kollegin Anna-Maria Staringer Geburtstag hatte. »Daß du auch ausgerechnet heute Geburtstag haben mußt«, sagte sie leise. »Ich möchte dir nicht gratulieren, aber wenn wir jemals lebend hier rauskommen, holen wir alles nach.« »Martyr Mahmud« hatte mitgehört. Er gratulierte: »I wish you all the best for your birthday next year!« Er ging zum Cockpit und bestellte über Funk vom Tower eine Geburtstagstorte, Kaffee und Champagner.
    Nach kurzer Zeit brachte das Catering des Flughafens Dubai eine Geburtstagstorte in Pastellfarben, darauf mit Zuckerguß die Schrift: »Happy Birthday Anna-Maria.« Jeder Passagier bekam ein kleines Stück Torte, dazu Kaffee und Champagner. »Kapitän Mahmud« war glänzender Laune. Er nahm das Mikrophon und kündigte an, der Sprengstoff werde von den Flugzeugwänden abmontiert. Die Passagiere klatschten erleichtert Beifall. Mahmud nahm den Applaus mit großer Geste entgegen. Dann ging er wieder ans Mikrophon: »Wir nehmen den Sprengstoff ab, aber natürlich nur für fünf Minuten. Dann wird er wieder montiert.« Das Lächeln auf den Gesichtern erstarb.
    Stewardeß Gabriele von Lutzau: »In regelmäßigen Abständen wurden regelrechte Fanale inszeniert, indem er irgend jemanden öffentlich fertigmachte, öffentlich vorzitierte, mit dem Tode bedrohte. Also ein permanentes Wechselbad. Als Anna-Maria Staringer, meine eine Kollegin, ihren 28 . Geburtstag hatte, wurde zuerst eine Torte bestellt. Und die Torte kam dann tatsächlich auch. Aber bis die Torte kam, hat er schon wieder Jürgen Vietor exerzieren lassen, zusammengeschlagen. Dann brachten sie die Torte hoch. Die Torte wurde serviert. Ich mußte dann zittern, nachdem ich gesehen habe, was sie mit meinem Kollegen machen. Sie haben ihn geschlagen, er hat ihn erniedrigt, er hat ihn exerzieren lassen – ich weiß gar nicht mehr, was er gemacht hat. Es war nur so fürchterlich, daß ich immer nur gedacht habe, es ist alles ein Alptraum hier. Ich bin in einem verdammten Alptraum. Und es war die Wirklichkeit. Und wahrscheinlich war es sogar Teil eines psychologischen Plans, um die Leute auf die Art und Weise einfach mürbe zu machen. Und es war eine Art Gehirnwäsche. Am Schluß haben wir diesem Idioten ja sogar applaudiert. So weit muß man erst mal kommen.«
    Der Besatzung kam die Idee, dem Bundeskanzler ein Telegramm zu schicken. »Wir legen unser Leben in Ihre Hände und bitten Sie inniglich, uns zu retten«, sollte es in dem Funkspruch heißen. Für das Konzept hatten die Stewardessen eine der Lufthansa-Ansichtskarten verwendet. Plötzlich stellten sie fest, daß auf dem Foto die »Landshut« abgebildet war. Die Stewardeß Gabi Dillmann wollte sich ein Autogramm des Chefs der Entführer auf die Karte geben lassen. Mahmud lächelte müde und hatte selbst einen Einfall. Er befahl, auf die Rückseiten der Karten zu schreiben: »With compliments of the SAWIO , ›Struggle Against World Imperialism‹«. Die Karten sollten an die Passagiere verteilt werden.
    Inzwischen durchsuchten zwei der Entführer das in der ersten Klasse gestapelte Handgepäck der Passagiere. Plötzlich lief einer von ihnen durch den Gang, in der Hand einen Reisepaß. Eine Frau wurde nach vorn geholt. Heiser schrie Mahmud sie an. Es folgten Tritte und Schläge. Tränenüberströmt kam die Frau aus der Erste-Klasse-Kabine und ging wankend an ihren Platz zurück.
    Mahmud folgte ihr. »Ich habe Juden hier an Bord entdeckt«, rief er. »Wißt ihr, was das ist?« Er hielt die Reste eines zerbrochenen Montblanc-Kugelschreibers hoch und deutete auf den kleinen weißen Stern auf der Kappe: »Das ist ein Judenstern, der Davidstern. Morgen werde ich diese Juden erschießen, sie werden sich am Morgen freiwillig bei mir melden. Ich stelle sie in die offene Flugzeugtür und schieße ihnen von hinten eine Kugel in den Kopf. Sie fallen automatisch aus dem Flugzeug.«
     
    In den Verhandlungen mit Mahmud hatte der Verteidigungsminister von Dubai erreicht, daß Medikamente, Eis und Getränke an Bord gebracht werden durften. Die Stewardessen verteilten Eisbeutel an die Passagiere, damit sie ihre vom langen Sitzen angeschwollenen Beine kühlen konnten. Immer wieder bekam Mahmud Wutausbrüche, wollte willkürlich

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