Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Verfassungsgericht …«
»Herr Schleyer, wenn ich Sie mal unterbrechen darf. Es gibt für uns keine andere Möglichkeit. Ich wiederhole: keine.«
»Ja.«
»Wir sind absolut fixiert auf diesen Weg.«
»Ja.«
»Die Bundesregierung meint, die Gefährdung für Sie sei in diesem Punkt zu groß?«
»Ja«, bestätigte Schleyer.
»Das kann ich nur ganz entschieden zurückweisen … Ich betrachte diesen Marsch der Bundesregierung als erneuten Versuch irgendeiner Verzögerungstaktik. Wir werden uns darauf nicht einlassen.«
»Ich glaube nicht, daß Sie da im Recht sind«, sagte Schleyer.
»Herr Schleyer, hören Sie mir bitte zu!«
»Ja.«
»Daß die Lieferung des Lösegeldes ein fester Bestandteil des Ultimatums ist. Weisen Sie die Bundesregierung nochmals darauf hin, daß sie die Konsequenzen bei Nichterfüllung voll und ganz zu tragen hat.«
»Ja, das habe ich bereits getan«, sagte Schleyer. Die Bundesregierung habe sich positiv bereit erklärt, das Geld zur Verfügung zu stellen. Sie habe nur ein entschiedenes Veto gegen den Flug am heutigen Abend eingelegt. Die Frage sei, ob der Flug nicht auch am nächsten Tag stattfinden könne.
»Das ist völlig ausgeschlossen«, sagte der Entführer.
»Ich kann nur noch mit aller Dringlichkeit an Sie appellieren, daß Sie die Dinge noch mal überdenken«, beschwor Schleyer den Anrufer.
»Ich muß sagen, daß wir keine Möglichkeit haben, hier irgend etwas zu überdenken. Da ist uns, auch wenn wir wollten, völlig die Entscheidung aus der Hand genommen. Wir haben hier keine Möglichkeit der Änderung.«
»Ich kann mir das nicht vorstellen. Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen …«
»Es ist in diesem Fall völlig unerheblich, was Sie sich vorstellen können. Sie müssen das so nehmen, wie es ist. Und was
ich
mir nicht vorstellen kann, ist, daß die Bundesregierung diese Geschichte am Geld scheitern lassen wird.«
»Nein«, widersprach Schleyer.
»Das ist völlig ausgeschlossen.«
»Nein, nicht nur am Geld, sondern an der konkreten Gefährdung meiner Person.«
»Herr Schleyer, wir werden keine Änderung vornehmen, und das ist auch mein letztes Wort. Das werden Sie bitte auch der Bundesregierung genau so mitteilen. Ich darf mich von Ihnen verabschieden.«
»Sie haben, sind krimineller …«, sagte Schleyer noch. Dann klickte es in der Leitung. Das Gespräch war zu Ende.
Gegen 21 . 00 Uhr flog Schleyer zurück nach Stuttgart. Eine Stunde vor Mitternacht erhielt er dort einen Anruf der Entführer.
»Wir sind damit einverstanden, wenn den Gefangenen das Lösegeld mitgegeben wird.«
»Ja«, sagte Schleyer.
»Sind Sie in der Lage, der Bundesregierung das mitzuteilen?«
»Ich werde es sofort an die Bundesregierung weiterleiten.«
»Darf ich mir dann vielleicht etwas später von Ihnen die Bestätigung darüber abholen?«
»Das dürfen Sie.«
»Danke sehr, Wiederhören«, sagte der Entführer.
Schleyer rief einen der Vizepräsidenten des BKA an, der Rücksprache mit der Bundesregierung hielt und ihn anschließend über das Ergebnis des Gesprächs informierte. Er durfte den Entführern mitteilen, die Regierung sei mit diesem Weg der Geldübergabe einverstanden.
In Wirklichkeit waren die Würfel längst gefallen.
Der BKA -Beamte Hans Fernstädt, der fünf Jahre zuvor bei der Festnahme Baaders in der Frankfurter Garage den Sprengstoff ausgetauscht hatte und nun Schleyer bei seinem verzweifelten Versuch, seinen Vater zu retten, begleitete, sagte später: »Man hat Eberhard Schleyer nicht einmal die Chance gelassen, noch irgend etwas für seinen Vater tun zu können. Selbst das nicht. Als wir am Informationsschalter ankamen, hatten Beamte des BKA im Auftrage des Präsidenten vielleicht drei, vier, fünf Minuten vorher dieses Flugticket schon in Verwahrung genommen, so daß Eberhard Schleyer eigentlich dastand, und wir wußten nicht, was wir tun sollten.«
Noch in derselben Nacht lehnte das Bundesverfassungsgericht den Erlaß einer einstweiligen Anordnung zur Freilassung der inhaftierten Terroristen ab: »Wie die staatlichen Organe ihre Verpflichtung zu einem effektiven Schutz des Lebens erfüllen, ist von ihnen grundsätzlich in eigener Verantwortung zu entscheiden … Angesichts der verfassungsrechtlichen Lage kann das Bundesverfassungsgericht den zuständigen staatlichen Organen keine bestimmte Entschließung vorschreiben.«
Die Bundesregierung hatte die Richter des Bundesverfassungsgerichtes davon unterrichtet, daß eine Aktion
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