Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
und meine Eltern.«
Gudrun Ensslin gab den Geistlichen beim Abschied die Hand.
»Ich hoffe, wir können das Gespräch fortsetzen«, sagte Pfarrer Kurmann.
»Theologen hoffen.« Gudrun Ensslin drehte sich lächelnd um und ging zurück in ihre Zelle.
Der Vollzugsbeamte Bubeck begleitete die beiden Geistlichen im Aufzug nach unten und dann zum Anstaltsleiter Nusser. Die Pfarrer berichteten über das Gespräch und die drei Schriftstücke, die nach Gudrun Ensslins Worten »im Falle einer Hinrichtung« an das Bundeskanzleramt geschickt werden sollten.
»Was haben Sie auf diese Äußerung ›Hinrichtung‹ erwidert?« schaltete sich Bubeck in das Gespräch ein. »Haben Sie nicht geantwortet, daß so etwas absurd ist und es so etwas bei uns nicht gibt?«
»Das habe ich getan«, antwortete Rieder.
Der Anstaltsleiter fragte, ob das Wort Hinrichtung auch als Selbstmorddrohung gewertet werden könnte.
»Nein«, sagten die beiden Geistlichen.
Die drei Schriftstücke, von denen Gudrun Ensslin gesprochen hatte, wurden nie gefunden.
In den Tagen zuvor waren die Anwälte der Stammheimer Gefangenen selbst aktiv geworden, um das Geiseldrama zu beenden.
Baaders Verteidiger Hans Heinz Heldmann: »Die Anwälte haben verschiedenes gemacht. Sie haben verschiedenes versucht. Sie haben unter anderem gefordert, einen Kontakt mit unseren Mandanten zu finden. Nach dem 5 . September 1977 gab es keinerlei Außenkontakte der Gefangenen mehr, auch keinerlei Möglichkeiten mehr, irgendeine Verbindung oder eine Kommunikation zu ihren Verteidigern zu finden. Mandanten und Verteidiger waren völlig voneinander abgeschlossen. In dieser Situation der Geiselnahme haben wir einerseits von der Justiz, dem Vorsitzenden des Oberlandesgerichts in Stuttgart, Dr. Foth, gefordert, mit unseren Mandanten in Verbindung treten zu können, um die Frage positiv zu klären, daß unsere Mandanten auf Befreiung durch Geiselnahme ein für allemal verzichten. Gleichzeitig mit der Erklärung an die Justiz, daß wir nicht weiter verteidigen würden, wenn nicht die Mandanten diese Erklärung abgäben.«
Die Sekretärin der Geschäftsstelle des Stuttgarter Senats richtete dem Anwalt aus, der Wunsch nach Kontaktaufnahme zu den Mandanten sei rundweg und ohne Einschränkung abgelehnt.
Als letzte Möglichkeit versuchte Heldmann, Amnesty International einzuschalten. Am Nachmittag des 17 . Oktober rief er den Vertreter der internationalen Gefangenenhilfsorganisation, Bischof Helmut Frenz, an und bat ihn, im Kanzleramt oder im Justizministerium vorzusprechen. Er bäte dringend um einen Gesprächstermin mit dem Bundeskanzler oder dem Justizminister. Frenz fuhr zum Justizministerium und erklärte sein Anliegen. Man bedeutete ihm, zu warten. Stundenlang harrte der Amnesty-Vertreter in einem Vorzimmer aus.
Staatsminister Wischnewski verhandelte fieberhaft mit der somalischen Regierung, um die endgültige Erlaubnis zum Einsatz der GSG 9 zu erhalten. Der im Cockpit von Wischnewskis 707 sitzende Rüdiger von Lutzau, der Freund der »Landshut«-Stewardeß Gabi Dillmann, hatte die Aufgabe, den Funkverkehr zwischen der »Landshut« und dem Tower mitzuhören und aufzuschreiben.
General Abdullahi, der somalische Polizeichef, sprach mit »Martyr Mahmud«: »Die deutsche Regierung wird Ihre Bedingungen nicht annehmen … Die somalische Regierung ersucht Sie, die Passagiere und Besatzung freizulassen. Wir versprechen Ihnen sicheres Geleit …«
Der Entführer antwortete: »Ich habe Ihre Nachricht verstanden, General, daß die deutsche Regierung unsere Forderungen ablehnt. Das ändert nichts. Wir werden das Flugzeug genau bei Ablauf des Ultimatums in die Luft sprengen, das heißt genau in einer Stunde und 34 Minuten … Wenn Sie dann zufällig im Tower sind, werden Sie das Flugzeug in tausend Stücke fliegen sehen …«
Mahmud sagte den Passagieren, daß ihre Regierung sie sterben lassen wolle. Die Stewardeß Gabi Dillmann bat ihn, noch einmal mit dem deutschen Botschafter sprechen zu dürfen. Mahmud übergab ihr das Mikrophon.
Gabi Dillman sprach englisch, und erst viele Jahre später tauchte das Tonband mit ihrer Rede auf.
»Ich möchte sagen, daß es das Versagen der deutschen Regierung ist, daß wir sterben müssen. Und wir werden sterben. Ich weiß, daß sie es tun werden, sie haben schon alle gefesselt. Und dieses ist, was wir auf deutsch ein Himmelfahrtskommando nennen. Denen ist ihr eigenes Leben egal, und ihnen ist das Leben anderer Menschen egal. Und
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