Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
der Entführer. Der deutsche Geschäftsträger in Mogadischu habe eine wichtige Nachricht.
»Ich höre, Herr Vertreter des faschistischen, imperialistischen Westdeutschland. Sprechen Sie, und lesen Sie ihre Botschaft vor«, sagte Mahmud.
»Wie Sie wissen, haben wir eine hohe Delegation meiner Regierung hier. Diese Delegation wird von einem Staatsminister geführt, der sich mit Präsident Siad Barre eingehend über die gegenwärtige Situation unterhalten hat. Aufgrund dieser Unterhaltung ist es notwendig geworden, ein Telefongespräch mit dem Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu führen.« Aus technischen Gründen habe das Gespräch bisher nicht stattfinden können. Anschließend werde er eine neue, sehr wichtige Nachricht durchzugeben haben.
»Ich habe verstanden«, sagte Mahmud. »Aber Sie hatten für all das fast 96 Stunden Zeit. Sie geben in den letzten zehn Minuten nach – wie soll ich das von dem Vertreter des faschistischen, imperialistischen westdeutschen Regimes akzeptieren?«
Michael Libal, der deutsche Chargé d’affaires, beendete das Gespräch: »Das ist alles, was ich Ihnen derzeit sagen kann. Bitte warten Sie.«
Die Entführer verlängerten das Ultimatum um eine halbe Stunde, damit die Somalis die Umgebung des Flugzeugs räumen könnten. Die Somalis ließen sich Zeit. Zwölf Minuten nach Ablauf des neuen Ultimatums fragte Mahmud beim Tower nach: »Haben Sie alle Rollbahnen geschlossen?«
»Nein, noch nicht. Wir werden räumen. Warten Sie, Sir.«
»Versuchen Sie es bitte so schnell wie möglich.«
»Ja, Sir, wir danken Ihnen sehr für Ihre Kooperation.«
Wischnewski mußte Zeit gewinnen: »Dann haben wir denen mitgeteilt, daß die Bundesregierung nachgegeben hat, daß wir jetzt aber Stunden brauchen, die müssen erst in Frankfurt gesammelt werden, aber wir werden sie ständig informieren, wo das Flugzeug ist, um die Zeit abzusichern.«
Kurz darauf meldete sich wieder der deutsche Geschäftsträger: »Hören Sie mich, Herr Martyr Mahmud?« Neben ihm stand der vom Bundeskriminalamt mit Wischnewski auf die Reise geschickte Psychologe Wolfgang Salewski. Jede Äußerung gegenüber den Flugzeugentführern war mit ihm vorher abgesprochen worden.
»Ich höre Sie sehr deutlich, denn mein Gehör ist sehr gut, Vertreter des westdeutschen faschistischen Regimes«, antwortete der Entführer.
»Wir haben gerade die Nachricht bekommen, daß die Häftlinge in den deutschen Gefängnissen, die Sie freigelassen haben möchten, hier nach Mogadischu geflogen werden sollen.« Wegen der großen Entfernung könne die Maschine aber erst am Morgen in Mogadischu sein.
»Sie wagen, mich um eine Verlängerung des Ultimatums bis zum Morgen zu fragen – stimmt das, Herr Vertreter des deutschen Regimes?«
»Im Prinzip stimmt das«, sagte Libal.
»Wie groß ist die Entfernung zwischen der Bundesrepublik und Mogadischu, Herr Vertreter des westdeutschen Regimes?«
»Mehrere tausend Meilen.«
Mahmud wollte es genau wissen, und der deutsche Geschäftsträger versprach, das zu prüfen.
»Okay, noch vier Minuten bis zum Ende des Ultimatums«, sagte Mahmud. »Wenn Sie uns täuschen wollen oder Spiele mit uns spielen … ich ziehe es vor, mit Sprengstoff zu spielen. Aber wenn Sie es ernst meinen und sich um die Menschen an Bord dieses Flugzeugs sorgen, sind wir bereit zu verhandeln.«
»Wie Sie aus meiner Nachricht erfahren haben, sind wir nun bereit, die Häftlinge hier nach Mogadischu zu fliegen.«
»Okay, Sie sorgen sich, aber nicht Ihre Regierung. Und Sie sorgen sich jetzt, weil Sie glauben, daß wir etwas zu tun versprochen haben und es auch tun werden. Und wenn Ihre Regierung des westdeutschen Regimes glaubt, es werde hier ein zweites Entebbe geben, dann träumen Sie.«
Vom Tower kam die Nachricht, daß zwischen Frankfurt und Mogadischu 3200 nautische Meilen lägen, sieben Flugstunden. Der Entführer erklärte sich bereit, das Ultimatum bis 3 . 30 Uhr somalischer Zeit, 1 . 30 Uhr deutscher Zeit, zu verlängern.
Mahmud ging aus dem Cockpit in die Kabine. Zögernd sagte er: »Wir nehmen jetzt die Fesseln ab. Es ist eine Möglichkeit eingetreten, die unser aller Rettung sein könnte. Aber es ist noch nicht Zeit, sich zu freuen.« Die beiden Frauen machten sich daran, den Passagieren die Fesseln abzunehmen. Vor Freude und auch vor Schmerz schrien die Geiseln auf. Die festgeknoteten Strumpfhosen hatten tief ins Fleisch geschnitten und das Blut in den Handgelenken aufgestaut. Mahmud sagte: »In the last
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