Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
auch die deutsche Regierung sorgt sich kein bißchen um unser Leben. Wir werden jetzt sterben. Ich habe versucht, das hier so gut es geht zu ertragen. Aber die Angst ist einfach zu mächtig. Wir möchten, daß Sie wissen, daß die deutsche Regierung nicht geholfen hat, unser Leben zu retten. Sie hätte alles tun können, alles. Wir verstehen die Welt nicht mehr.«
Rüdiger von Lutzau hatte Mühe, die Worte zu verstehen, so verzerrt kamen sie aus dem Funkgerät. Ihm war nicht klar, wer da sprach: »In Ordnung, dies ist wahrscheinlich die letzte Botschaft, die ich jemals übermitteln kann: Mein Name ist Gabi Dillmann, und ich möchte nur meinen Eltern und meinem Freund sagen – sein Name ist Rüdiger von Lutzau –, daß ich so tapfer sein werde wie möglich, daß ich hoffe, es wird nicht zu sehr wehtun. Bitte sagen Sie meinem Freund, daß ich ihn sehr liebe, und sagen Sie meiner Familie, daß ich sie liebe, daß ich sie auch liebe.«
Erst jetzt merkte Rüdiger von Lutzau, daß er die Worte seiner Verlobten mitschrieb. Gabi Dillmann stockte, dann drückte sie noch einmal die Sprechtaste: »Sagen Sie allen meinen Dank, und wenn es in den letzten zehneinhalb Stunden noch irgendeine Möglichkeit gibt, bitte ich Sie, versuchen Sie alles. Denken Sie an all die Kinder, denken Sie an all die Frauen, denken Sie an uns. Ich kann das nicht verstehen, wirklich nicht. Können Sie wirklich für den Rest Ihres Lebens mit dieser Last auf Ihrem Gewissen leben? Ich weiß es nicht. Wir werden alle versuchen, so tapfer wie möglich zu sein, aber es ist nicht leicht. Ich bete zu Gott, bitte, wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, irgendeine Möglichkeit, hilf uns. Es ist nicht mehr viel Zeit übrig. Wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, bitte helft uns.«
Rüdiger von Lutzau schrieb bis zuletzt mit.
Die vier Palästinenser hatten wieder den Sprengstoff an den Kabinenwänden befestigt. Nachdem sie zuerst den Männern und dann auch den Frauen mit den zerschnittenen Strumpfhosen die Hände auf den Rücken gefesselt hatten, sammelten sie alle Flaschen mit alkoholischen Getränken, schlugen die Hälse an den Sitzlehnen ab und gossen den Inhalt über Teppiche und über die Passagiere.
Copilot Vietor: »Es ging jetzt eine Fesselungsaktion los. Dann fingen die an, Flaschen mit dem Duty-free-Spiritus, Schnaps und Whisky und alles, zu entkorken, und haben uns übergossen, damit es besser brennt.«
Gabriele von Lutzau: »Die Passagiere wurden zuerst gefesselt, die Frauen mußten die Strumpfhosen ausziehen. Und die ganz großen Flaschen, die nämlich aus dem Duty-free-Verkauf der Passagiere waren, und das waren sehr, sehr große Mengen Alkohol, die über uns ausgegossen werden sollten, hochprozentiger Alkohol. Und vorher wurden wir gefesselt, und zwar teilweise so fest, daß es den Leuten das Blut abgeschnürt hat. Und man sitzt da, wie auf dem elektrischen Stuhl. Man wartet drauf, daß einer auf den Knopf drückt.«
Fluggast Diana Müll: »Dieser Gedanke, elend zu verbrennen und irgendwann vielleicht in die Luft zu fliegen, am lebendigen Leib zu verbrennen, das war für mich so entsetzlich, daß ich meiner Freundin gesagt hab, ich warte auf ’n richtigen Zeitpunkt, wenn’s zu Ende geht. Dann stehe ich auf und spuck ihm ins Gesicht. Und dann hat sie noch zu mir gesagt, das kannst du nicht machen, der erschießt dich. Ja, genau. Also das war für mich der, der bessere Weg.«
Vom Tower meldete sich der somalische Informationsminister: »Unsere Regierung versucht laufend, mit der deutschen Regierung zu sprechen. Wir haben Ihnen bereits deren Position mitgeteilt, aber wir versuchen es immer weiter. Jetzt und in dieser Lage möchte meine Regierung Sie bitten, das Ultimatum um mindestens 24 Stunden zu verlängern …«
»Wir wollen kein Blut vergießen«, antwortete Martyr Mahmud aus der »Landshut«, »aber das imperialistische, faschistische westdeutsche Regime lehnt unsere Forderungen ab. Deshalb bleibt uns keine Wahl. Sie kümmern sich nicht um ihre Menschen, deshalb müssen wir das Flugzeug mit allen Menschen an Bord in die Luft sprengen … Es gibt keine Alternative, außer daß das Flugzeug in genau 23 Minuten gesprengt wird.«
Der somalische Informationsminister fragte, ob das Ultimatum nicht wenigstens um eine halbe Stunde verlängert werden könne, um das Gebiet um die »Landshut« zu räumen. Mahmud sagte zu, die Frage mit seinen Genossen zu besprechen.
Wenige Minuten später verlangte der Tower erneut nach dem Chef
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