Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
nicht endgültig anhand seiner Fingerabdrücke identifiziert worden.
»Wenn Sie, Herr Rechtsanwalt, mir bestätigen, daß es sich bei dem in den heutigen Morgenstunden von Abteilung I verhafteten Mann um Herrn Baader handelt, wäre ich Ihnen für Ihre Hilfe dankbar.«
Mahler versuchte, sich zu korrigieren, indem er nur noch von der »festgenommenen Person« sprach, aber der Polizeibeamte hatte genug erfahren. Letztlich war ohnehin klar, wen die Polizei da gefangen hatte. Baader wurde in die Strafanstalt Tegel gebracht. Er sollte seine Reststrafe absitzen.
In den Tagen nach der Festnahme Andreas Baaders wurde intensiv darüber nachgedacht, auf welche Weise man ihn befreien könnte. Irgendeiner kam auf die Idee, daß man eine Ausführung aus dem Gefängnis arrangieren müßte, die Frage war nur, wie. Jemand anders machte den Vorschlag, Ulrike Meinhof solle zusammen mit Baader ein Buchprojekt vorschieben, für dessen Realisierung eine Exkursion Baaders aus der Haftanstalt unumgänglich sei. Als Ziel der Ausführung wurde das Dahlemer Institut für soziale Fragen anvisiert und auch umgehend ausgekundschaftet.
Über das Thema Gefangenenbefreiung wurde in diesen Tagen ohnehin viel diskutiert. Am 31 . März war der deutsche Botschafter in Guatemala, Karl Graf von Spreti, von Guerillas entführt worden. Sie verlangten die Freilassung von 22 inhaftierten Untergrundkämpfern und ein Lösegeld von 2 , 5 Millionen Mark. Als die Regierung Guatemalas nicht auf die Forderungen einging, wurde Spreti am 4 . April erschossen.
27. Vorbereitungen für eine Gefangenenbefreiung
Baader hatte immer noch unter den Folgen seiner Gelbsucht zu leiden. Deshalb war er nach der Festnahme zunächst in die Krankenabteilung des Untersuchungsgefängnisses Moabit verlegt worden. Er saß dort Zelle an Zelle mit Bommi Baumann, der ebenfalls Gelbsucht hatte, und einem Mann namens Eckehard L.
Sie waren sich sofort einig, daß sie gemeinsam ausbrechen würden. Bommi hatte schon damit begonnen, den Türrahmen in seiner Zelle herauszukratzen, was ihm dann aber zwecklos erschien, weil die Beamten seine Zellentür ohnehin ständig offen stehen ließen. Bommi war nämlich ein freundlicher Gefangener, der zum Aufsichtspersonal der Anstalt ein gutes Verhältnis »von Proletarier zu Proletarier« pflegte. Sein Zellennachbar Andreas Baader war da anders. Er beschimpfte die Beamten ständig mit den unflätigsten Ausdrücken. Daraufhin wurde seine Zellentür geschlossen gehalten. Die Haftärzte besuchten Bommi gelegentlich und verliehen ihrer Verwunderung Ausdruck: »Also, Herr Baumann – Sie sind ja ganz nett. Aber Ihr Kollege Baader, der ist ja fürchterlich.«
Bommi fand, daß Baader durch sein rotziges Verhalten jede Chance zur Flucht versaute. »Statt daß der nun auch ein bißchen auf nett macht, hat er die angemacht. Wir hätten den ganzen Tag im Haus herumspazieren können. Dann hätte bloß einer an der Außenmauer vorbeifahren müssen. Anker an das Gitter und hinten am Auto fest, losfahren, bing, wäre das Gitter weg. Wären wir draußen gewesen, gar kein Problem. Einfach rausgesprungen aus dem Fenster und weg, Wiedersehen. Da war doch damals keine Bewachung, nichts.«
Abends saßen sie am Fenster und redeten miteinander über die unterschiedlichsten Fluchtmöglichkeiten. Ihr Nachbar »Ecke« bekam das in allen Einzelheiten mit.
Baader wurde immer ungeduldiger, er konnte die Haftsituation nicht ertragen. Bommi Baumann fand, daß er sich anstellte wie der erste Mensch: »Der hat sich so aufgeführt, daß sie ihn in die Klapsmühle gesteckt haben. Der hat sich nie gewaschen und lauter so ’ne Geschichten. Dann war denen das unheimlich, er kriegte solche Depressionen, daß sie ihn in die PN , die psychiatrisch-neurologische Abteilung, steckten. Baader war dann schon dabei, die Gänge immer hoch und runter zu laufen, die richtige Knastmacke.«
Gudrun Ensslin lief inzwischen draußen von Tür zu Tür, um Leute für eine Befreiungsaktion zu mobilisieren. Niemand wollte so richtig mitmachen. Theoretisch stand Gefangenenbefreiung derzeit im Mittelpunkt der politischen Diskussion. Aber konkret planen, organisieren? Das war die Sache der meisten in der Szene nicht.
Inzwischen hatte Andreas Baader eine Zelle im Haus I der Vollzugsanstalt Tegel bezogen. In den nächsten Tagen und Wochen erhielt er regelmäßig Besuch. Seine Mutter Anneliese Baader erschien, Horst Mahler als Anwalt, Ulrike Meinhof, sie allein fünfmal.
Und eines Tages, es war
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