Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
nochmal überlegen«, sagte die eine und verschwand wieder. Zwei Tage später stand die Frau wieder in der »Wolfsschanze«. Diesmal erklärte ihr der Geschäftsführer: »Ich will mal sehen, was sich da machen läßt.«
Am 12 . Mai gegen 23 . 00 Uhr, zwei Tage vor Baaders Ausführung in das Institut für soziale Fragen, ließ sich etwas machen. An der Theke in der »Wolfsschanze« stand Günter V ., der dem Wirt schon einmal Waffen angeboten hatte. An einem Tisch saßen die beiden Interessentinnen. »Guck mal, da sitzt die Olle«, sagte der Kneipier. Der Waffenlieferant setzte sich zu den beiden. Nach einiger Zeit verließen alle drei das Lokal. Der Mann, der sich »Teddy« nannte, nahm die Frauen mit in die Wohnung einer Freundin, wo er ein kleines Waffenlager unterhielt. Teddy verkaufte den beiden zwei Pistolen, eine Beretta und eine Reck inklusive Schalldämpfer. Er hatte die Pistolen illegal aus der Schweiz eingeführt und dazu selbst passende Schalldämpfer konstruiert. Die Frauen bezahlten die Waffen mit 1000 Mark pro Stück. Die Vorbereitung für die Befreiung ging in die Endphase.
Am 14 . Mai 1970 um 9 . 00 Uhr morgens war es soweit. Andreas Baader wurde mit Waffengewalt aus dem Institut für soziale Fragen im Westberliner Stadtteil Dahlem befreit.
Der Institutsangestellte Georg Linke erlitt dabei schwere Schußverletzungen.
Baader und seine Befreier entkamen.
Mit dem Sprung aus dem Fenster des Instituts für soziale Fragen beendete Ulrike Meinhof ihre journalistische Karriere und ging in den Untergrund.
Ihr Film »Bambule«, der in diesen Tagen gesendet werden sollte, wurde kurzfristig vom Fernsehprogramm gestrichen.
2. Kapitel »Die ungestüme Herrlichkeit des Terrors«
1. Die Reise nach Jordanien
Am 8 . Juni 1970 flog eine Westberliner Reisegruppe vom Ostberliner Flughafen Schönefeld nach Beirut. Auf der Passagierliste der Interflug-Maschine fand die Polizei später unter anderem die Namen Bäcker, Grashof, Schelm, Mahler, Dudin und Ray.
Offenbar hatte die französische Journalistin ihren Paß in Berlin gelassen. Said Dudin, ein Verbindungsmann zur palästinensischen Befreiungsorganisation El Fatah, hatte die Flugtickets im Reisebüro »Karim« in Westberlin gekauft.
Er kannte Ulrike Meinhof aus der Zeit der Studentenbewegung und von ihrer Lehrtätigkeit am Publizistischen Institut der Freien Universität Berlin. Dudin schätzte sie als »Journalistin und Humanistin« und war erschrocken, als er sie nach der Baader-Befreiung zum ersten Mal sah: »Sie war ein Wrack von einem Menschen.« Ulrike sagte ihm, eine Freundin würde sich um ihre Kinder kümmern.
Um 15 . 30 Uhr landete der erste Teil der Truppe in Beirut. Von dort aus sollte es ins jordanische Amman weitergehen. Der Flug fiel jedoch aus, weil in Jordanien Vorgefechte einer bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzung zwischen König Hussein und der PLO aufgeflammt waren. Königstreue Truppen und palästinensische Freischärler lieferten sich bereits blutige Kämpfe.
Ganz unplanmäßig mußten die Reisenden den Transitraum verlassen und dabei eine libanesische Kontrolle passieren. Drei von ihnen hatten statt eines Reisepasses lediglich ihren behelfsmäßigen Berliner Personalausweis dabei. Der Beamte wollte seinen Stempel in die Ausweise drücken, fand aber keinen dafür vorgesehenen Platz. Er blätterte hin, blätterte her, dann kam ihm die Sache nicht ganz geheuer vor, und er holte seinen Chef. Der kassierte die Personalpapiere der gesamten Reisegruppe aus Berlin und setzte sie fest. Said Dudin protestierte vergebens. Der Kommandant gab die Ausweise nicht wieder heraus. Die Gruppe wurde im Zollraum interniert, an den Fenstern und Türen hingen Trauben sich amüsierender Araber. Der Kommandant blickte auf die Uhr und stellte fest, daß Feierabend war. Er nahm den Stapel Personalausweise und schloß ihn in einen Metallschreibtisch ein. Dann ging er.
Die konspirative Reisegesellschaft war ratlos. Schließlich konnte man sich nicht wie eine normale Touristengruppe an die konsularische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland wenden.
Horst Mahler hatte die Idee, die Vertretung der DDR einzuschalten, deren Geschäfte seiner Meinung nach von der französischen Botschaft wahrgenommen wurden. Das war allerdings ein Irrtum. Nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Libanon hatte Frankreich die Vertretung der bundesdeutschen Interessen übernommen.
Mahler hängte sich ans Telefon: »Hier ist
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