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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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konnten nun passieren, bestiegen Taxis und wurden zum selben Geheimquartier gefahren, in dem schon die erste Gruppe gewohnt hatte. Einer der Palästinenser prahlte mit waffentechnischen Kunststücken und anderen Kraftakten. Dann gab es ein karges Mahl, geschlafen wurde in großen Räumen auf übereinandergestellten Feldbetten.
    Am nächsten Morgen ging die Reise weiter. An der Grenze zwischen Syrien und Jordanien brauchte Said Dudin nur mit einem Passierschein der El Fatah zu winken. Alle Posten waren auch von bewaffneten Palästinensern besetzt. In beiden Ländern existierte zu dieser Zeit eine Art Doppelherrschaft.
    Am frühen Nachmittag erreichten sie Amman und wurden von militärischen Führern der Fatah empfangen. Der Sicherheitsdienst der Fatah fotografierte die Gäste. Auf Karteikarten vermerkten die palästinensischen Geheimdienstler alle wichtigen persönlichen Daten. Dann mußte jeder mit seinem richtigen Namen unterschreiben. Später eroberten die Israelis in Beirut das Hauptquartier des El-Fatah-Geheimdienstes und gelangten in den Besitz dieser Akten.
    Nach einer knappen Stunde erreichte die Reisegruppe das Lager außerhalb der Stadt. Es war früher Abend und noch hell. Sie bog von der Hauptstraße ab auf einen geschlängelten Sandweg, der zum Camp führte. Nach einigen hundert Metern hatte sie den Eingang erreicht. Das Berliner Vorauskommando erwartete sie schon und begrüßte die Neuankömmlinge mit Schulterklopfen und Umarmungen.

2. Im Camp
    Horst Mahler sah mit seinem Bart und der grünen Militärmütze aus wie Fidel Castro in der Sierra Maestra. Er strahlte und war ganz Chef einer Guerilla-Einheit, von seinen Leuten akzeptiert und von den Palästinensern anerkannt.
    Nach Baaders Ankunft sollte sich das innerhalb weniger Stunden ändern. Schon beim ersten gemeinsamen Essen startete Baader seinen Angriff auf den Führer der Vorhut. Er warf ihm die Panne auf dem Beiruter Flughafen – verschiedene deutsche Zeitungen hatten davon berichtet – als Beweis seiner vollständigen Unfähigkeit vor. Mahler hatte dem nicht viel entgegenzusetzen. Der bisherige Guerilla-Chef wurde schon an diesem Abend degradiert.
    Horst Mahler, der brillante Anwalt, der vor Gericht so geschliffen argumentieren konnte, war dem aggressiven, höhnischen Andreas Baader nicht gewachsen. Baader konnte anderen ihre Unfähigkeit auf eine Weise vorhalten, die sie völlig aus der Fassung brachte. Er geiferte die anderen an, bis er im wahrsten Sinne des Wortes Schaum vorm Mund hatte. Rationalen Argumenten war er nicht zugänglich, und wenn er nicht mehr weiterwußte, sprang Gudrun Ensslin ein und predigte ihre neue Moral von der Übertretung aller bürgerlichen Gesetze, der »tiefsten Freiwilligkeit«, mit der jeder Revolutionär sich unterordnen müsse, oder daß man die Illegalität nur in der Illegalität erlernen könne. Nach den Ausfällen Baaders folgte dann Gudrun Ensslins Mao-Bibelstunde. Mit dieser Arbeitsteilung waren Baader und Ensslin schnell das unbestrittene Führungspaar der entstehenden RAF .
    Anfangs hatten die Gastgeber nur ein Programm vorbereitet, das eine Art Revolutionstourismus zum Inhalt hatte, wie sie es vielen Ausländern präsentierten, die damals zu den kämpfenden Palästinensern kamen. Die riesigen Zeltstädte wurden gezeigt, in denen die Menschen oft noch zwei Jahrzehnte nach ihrer Vertreibung aus Palästina lebten. Lazarette mit verwundeten Frauen, Kindern und Männern, die eigenen Schulen, in denen Lernen und militärische Ausbildung eine Einheit bildeten. All dies bekamen die Deutschen ebenfalls zu sehen. Aber dann setzten sie durch, an einer richtigen militärischen Ausbildung teilnehmen zu können.
    Alle wurden truppenmäßig eingekleidet, erhielten grüne Kampfanzüge und Mützen. Nur Andreas Baader wollte weiterhin seine hautengen Samthosen tragen, in denen er später beim Training durch die steinige Wüste robbte. Die Gruppe der Deutschen bestand aus über zwanzig Frauen und Männern, die nach den Vorstellungen des algerischen Kommandanten Achmed getrennt untergebracht werden sollten. Frauen waren bisher noch nie in diesem Lager ausgebildet worden. Es gab den ersten Protest. Baader und Ensslin verlangten, daß gemischt geschlafen werden durfte. Sie hielten die Zusage für einen großen emanzipatorischen Erfolg und merkten nicht, daß sie den Grundstein für dann folgende Auseinandersetzungen gelegt hatten.
    Das Haus, in dem alle untergebracht waren, hatte vier Räume. Zwei dienten als Schlafräume,

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