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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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ein dritter als Küche und Aufenthaltsraum, wo sich die Deutschen an einem großen Tisch zum Essen und zu Diskussionen versammelten. Der vierte Raum war Büro und Schlafzimmer des Kommandanten.
    Auf den Tisch kam das dürftige Essen, von dem die Palästinenser schon seit vielen Jahren lebten: Fleisch aus Konserven, von der UNRRA , der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen, gestiftet, meist mit Reis vermischt. Dazu gab es arabisches Fladenbrot und Wasser, Obst nur selten, frisches Fleisch nie.
    Das Essen schmeckte den Deutschen nicht, und sie mäkelten von Anfang an daran herum. Eines der jungen Mädchen verlangte allen Ernstes, im Wüstenlager einen Cola-Automaten aufstellen zu lassen.
    Morgens um sechs Uhr, es gab süßen starken Tee, begann das Training mit einem Dauerlauf. Danach standen Schießübungen auf dem Plan, am Gewehr, an der Maschinenpistole und auch mal an der Haubitze. Jeder erhielt eine russische »Kalaschnikow«, die abends an den Bettpfosten gehängt wurde. Mit einem Angriff war jederzeit zu rechnen.
    Auch das Werfen von Handgranaten wurde geübt. Ulrike Meinhof bekam eines Tages eine russische Stilhandgranate. Der Ausbilder zeigte ihr, wie man die Kapsel abschraubt, um dann den frei werdenden Ring zu ziehen. Ulrike zog, die Granate begann leicht zu fauchen, Qualm entwickelte sich. Statt zu werfen, betrachtete Ulrike die Granate in ihrer Hand und fragte: »Was soll ich jetzt machen?«
    »Wegschmeißen!« schrie jemand. Kurz vor der Explosion konnte Ulrike das unheimliche Ding noch wenige Meter weit schleudern. Alle waren hinter Steinhaufen in Deckung gegangen.
    Vor allem Andreas Baader machte sich über die ungeschickte Intellektuelle lustig. »Ulrike wurde von denen wie Müll behandelt«, erinnert sich Peter Homann. »Es war gotteserbärmlich, so etwas zu sehen.« Hemmungslos schrie Baader sie an: »Du bist die letzte bürgerliche Sau.«
    Ulrike Meinhof konnte dem nichts entgegensetzen. Vor allem zwischen Baader und Homann krachte es. Baader begann, wild auf ihn einzuschlagen. Homann holte aus und traf Baader voll. Der fiel in den jordanischen Sand. Ensslin und die anderen Frauen kreischten: »Du Arschloch! Du hast Andreas geschlagen.«
    Schon jetzt galt Homann als Verräter.
    Said Dudin, der palästinensische Kontaktmann aus Berlin, besuchte die Gruppe dreimal in ihrem Lager. Später sagte er: »Der Kommandant Abu Achmed war ein Schwein, ein Söldner, der schon für die Franzosen in Indochina in der Fremdenlegion gekämpft hatte.« Im Grunde habe der sich einen Spaß daraus gemacht, die Berliner Truppe durch den Sand robben zu lassen. Als es Spannungen gab, mußte Dudin vermitteln. Er sagte Abu Achmed: »Das sind unsere Gäste, die dürfen nicht beleidigt oder bedroht werden.« Und die Berliner mahnte er: »Ihr seid hier Gäste, also benehmt euch entsprechend.«
     
    Von Zeit zu Zeit wurden Guerillataktiken geübt, die die Gruppe nach ihrer Rückkehr in deutschen Großstädten anwenden wollte. Auf dem Schulungskalender stand auch: »Wie raube ich eine Bank aus?« Der algerische Lagerleiter war vertraut mit diesem Thema. Während des algerischen Unabhängigkeitskrieges hatte er selbst an solchen »Enteignungsaktionen« teilgenommen.
    Baader achtete streng darauf, daß das Training in engem Praxisbezug zum »Job« stand, wie er die großstädtische Guerilla nannte.
    Als eines Tages geübt wurde, durch unwegsames Gelände zu robben, und die Palästinenser, wie üblich, mit scharfer Munition dazwischenschossen, um einen realistischen Eindruck vom Kampf zu vermitteln, protestierte Baader: »Das ist für eure Verhältnisse sicher richtig. Aber bei uns in der Großstadt gibt es solche Situationen nicht.«
    Später inspizierte der für die Ausbildungslager zuständige Palästinenserführer Abu Hassan das Camp. Zur Ehre seines Besuches kochten ihm die jungen Fedayin ein frisch geschlachtetes Huhn. Baader beschwerte sich: »Was ist denn das für ein autoritärer Haufen hier? Wenn der Oberkommandierende kommt, gibt es Fleisch für ihn, und wir kriegen keins.«

3. Der rote Prinz
    Abu Hassan hieß in Wahrheit Ali Hassan Salameh. Es war der Sohn des legendären Sheikh Hassan Salameh, einer der fünf Führer des Araberaufstandes von 1936 – 39 gegen die britische Fremdherrschaft und ihre Politik der Ansiedlung von Juden in Palästina. Aus blutigen Kämpfen mit Briten und Zionisten war Sheikh Hassan als Volksheld hervorgegangen. Nach dem Zusammenbruch des Aufstandes floh er ins benachbarte Ausland und

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