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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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an.
    Von nun an änderte sich alles. Hassan befahl dem Lagerkommandanten, den Deutschen nichts mehr durchgehen zu lassen. Als sie am folgenden Tag das Ausbildungsprogramm bemäkelten, handelten die Gastgeber. Eine Gruppe von Palästinensern stürmte in einem Handstreich das Haus und entwaffnete die Gäste. Sie durften die Baracke nicht mehr verlassen. Zwei bewaffnete Posten bewachten die Tür. Das militärische Training wurde abgesagt.

5. Vorauskommando zurück
    Die Palästinenser wollten die Deutschen so schnell wie möglich loswerden.
    Hans-Jürgen Bäcker, der in Berlin noch nicht gesucht wurde, erhielt seinen Paß von den Palästinensern zurück und durfte als Kundschafter vorausfahren. Die übrigen Pässe blieben weiterhin unter Verschluß.
    Über Zypern flog Bäcker nach Berlin-Schönefeld. An der Paßkontrolle zeigte er seine arabischen Papiere. Die ostdeutschen Grenzbeamten stellten ihm eine Frage, und Bäcker antwortete auf Englisch. Den Beamten fiel der deutsche Akzent auf, und sie schickten den angeblichen Araber zur Sonderuntersuchung.
    »Nun machen Sie sich mal frei«, sagte ein Volkspolizist.
    »Meine Herren, bedienen Sie sich«, antwortete Bäcker und öffnete seine Jeansjacke. Eine Pistole kam zum Vorschein. Die Beamten nahmen ihm die Waffe ab und holten die Kollegen vom Staatssicherheitsdienst. Bäcker wurde von drei Herren in einen Wartburg verladen und nach Karlshorst gebracht. Seine Begleiter klingelten an der Tür eines scheinbar privaten Wohnhauses. Ein Uniformierter öffnete, und Bäcker wurde in eine Wohnung mit vergitterten Fenstern geführt. Er durfte sich in einen Sessel setzen, und man bot ihm Westzigaretten an. Dann begann das Verhör. Es dauerte 24  Stunden. Hans-Jürgen Bäcker wunderte sich, wie genau die Stasibeamten über die Baader-Meinhof-Gruppe informiert waren. Sie wußten, wer bei der Baader-Befreiung dabei gewesen war und wer geschossen hatte. Sie kannten die Decknamen der Gruppenmitglieder, waren über die Einzelheiten der Ausbildung im Palästinenserlager unterrichtet.
    Gestärkt mit Brathähnchen, Coca-Cola und Rothändle schrieb Bäcker seinen Lebenslauf. Dann stellten ihm die Stasioffiziere Fragen zur Gruppe. Bäcker räumte die achtwöchige »Ausbildung als Einzelkämpfer« im Palästinenserlager ein, gab aber nicht zu, daß er an der Baader-Befreiung beteiligt gewesen war: »Einzelheiten darüber wurden mir nicht bekannt.«
    »Aus welchen Gründen reisten Sie am Donnerstag, dem 6 .  8 . 1970 , in die Hauptstadt der DDR ein?«
    »Aufgrund der zunehmenden Bombardierung durch israelische Flugzeuge konnte unsere Ausbildung nicht mehr fortgesetzt werden«, antwortete Bäcker. »Unsere persönliche Sicherheit war gefährdet.«
    Deshalb sei am Mittwoch der Beschluß gefaßt worden, sofort nach Westberlin zurückzukehren. Da nicht genügend Plätze zur Verfügung gestanden hätten, sei er von Baader und Mahler beauftragt worden, vorauszufliegen und die spätere Ankunft der anderen, »die dort illegal leben mußten«, vorzubereiten.
    Die Geheimdienstler legten ihm seine vorher abgenommene Pistole vor: »Zu welchem Zweck brachten Sie sich in den Besitz dieser Schußwaffe?«
    »Ich hatte die Absicht, mich mit dieser Waffe bei einer Festnahme durch die Westberliner Polizei zur Wehr zu setzen«, sagte Bäcker. »Außerdem war verabredet, diese sowie weitere Waffen bei geplanten Aktionen in Westberlin einzusetzen.« Auch die übrigen Gruppenmitglieder wollten sich Schußwaffen beschaffen und sie nach Westberlin einführen.
    »Welche Aktionen waren nach Rückkehr der Gruppe Mahler in Westberlin geplant?« wollten die Stasileute wissen.
    »Der eigentliche Initiator von Aktionen und Leiter der Gruppe ist nicht Mahler, sondern Andreas Baader«, stellte Bäcker richtig. »Rechtsanwalt Mahler, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof gehören zum sogenannten Führungsgremium der Gruppe. Von Gudrun Ensslin stammt meines Erachtens auch der Vorschlag, die Gruppe als ›Rote Armee‹ zu bezeichnen. Über meine Rolle gab es noch keine Vorstellungen.« Es werde angestrebt, die zur Zeit etwa zwanzig Personen starke Gruppe auf fünfzig bis hundert Personen zu verstärken. »Danach soll zu Gewalttaten übergegangen werden. Es besteht die Absicht, einen Anschlag gegen das Hauptquartier der USA -Besatzungstruppen in der Clayallee, und zwar Sprengstoffanschläge, zu unternehmen. Des weiteren soll mittels Brandsätzen ein Anschlag gegen das Büro der US -Fluggesellschaft Pan Am in der Kantstraße

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