Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
der Leiter der Hauptabteilung IX zu informieren.
Was das Ministerium für Staatssicherheit mit Ulrike Meinhof vorhatte, geht aus den nach der Wiedervereinigung aufgefundenen Akten nicht hervor.
Auch was sie selbst von den Genossen in der DDR wollte, ist nicht klar. Horst Mahler behauptete später, Ulrikes Ostreise sei mit Baader, Ensslin und ihm selbst abgesprochen gewesen. Sie habe erkunden wollen, ob sie ihre damals acht Jahre alten Zwillinge in der DDR unterbringen könne. Doch auch dafür gibt es keinen Beweis.
Ulrike Meinhof, der Mielke die Einreise gestattet hatte, kam nie wieder in die DDR .
7. Kindergeschichten
Unmittelbar nach der Baader-Befreiung hatte ich von dem Fernsehmagazin »Panorama« den Auftrag erhalten, Recherchen für ein Porträt Ulrike Meinhofs anzustellen, die ich aus meiner Zeit bei »konkret« ( 1966 – 69 ) kannte. Ich versuchte damals in Berlin, Peter Homann zu finden, den ich ebenfalls bei »konkret« kennengelernt hatte und von dem ich wußte, daß er in Verbindung mit Ulrike Meinhof stand. Es gelang mir nicht.
Etwa drei Monate danach, im Spätsommer 1970 , erhielt ich plötzlich in Hamburg einen Anruf. Ich sollte sofort zu einer Wohnung in der Himmelstraße kommen. Dort stand Peter Homann im Bad und färbte sich die Haare.
Er berichtete, daß die Gruppe Ulrike Meinhofs Kinder, die Zwillinge Bettina und Regine, in ein palästinensisches Waisenlager nach Jordanien bringen wollte. Klaus Rainer Röhl, der Vater der Zwillinge, hatte sie monatelang erfolglos über Interpol suchen lassen.
Am Vormittag des 14 . Mai, als Baader befreit wurde, waren die Kinder in der Schule gewesen. Als die Fahndungsaktion bereits anlief, ging eine Freundin ihrer Mutter auf das Polizeirevier in der Nähe der Kufsteiner Straße, wo Ulrike Meinhof wohnte, und holte die schon einige Zeit zuvor beantragten Ausweise für die Kinder ab. Der diensthabende Beamte merkte nicht, daß hier Pässe für die Kinder derjenigen Frau abgeholt wurden, die gerade von der gesamten Berliner Polizei gesucht wurde.
Zunächst waren die Kinder nach Bremen zu einem alten Freund Ulrikes gebracht worden. Wenige Tage später holten zwei Frauen aus Berlin die Zwillinge wieder ab und fuhren mit ihnen im Auto Richtung Süden. Über die »grüne Grenze« ging es zu Fuß nach Frankreich. Dort wartete eine dritte Frau mit Auto. Am nächsten Abend erreichten sie die Grenze nach Italien.
Die Paßstraße war noch gesperrt und sollte erst am nächsten Tag geöffnet werden. Deshalb gab es noch keine Grenzkontrollen.
Zwei der Frauen stiegen aus und gingen vor dem Auto her, dirigierten den Wagen zwischen den Schneebergen auf der einen und dem Abgrund auf der anderen Seite über die Grenze. Die Kinder lagen im Halbschlaf auf dem Rücksitz, unter Decken versteckt.
Die Fahrt endete in einem Barackenlager in der Nähe des Vulkans Ätna auf Sizilien. Dort wurden sie von italienischen Genossen erwartet, die den Kindern und einer der Frauen eine Baracke zuwiesen. Die beiden anderen Frauen fuhren sofort nach Deutschland zurück.
Mehrere Wochen blieb das Mädchen mit dem Namen Hanna bei den Zwillingen. Sie gingen an den Strand, fingen Seeigel, sonnten sich, spielten und wurden auch dazu angehalten, ihre Schulbücher zu studieren. Abends gab es Gitarrenmusik und Gesang. Als Hanna aus Berlin erfuhr, daß der Vater Klaus Rainer Röhl seine Kinder von der Polizei suchen ließ, wurde Versteckspielen geübt. Später quartierte man das Mädchen mit den Kindern in einem einfachen großen Steinhaus gegenüber dem Vulkan ein.
Hanna mußte zurück nach Berlin, und die beiden Mädchen wurden ins Barackenlager gebracht. Dort kümmerten sich vier deutsche Hippies um sie. Zwei von ihnen reisten bald weiter, und die Zwillinge blieben bis Anfang September in der Obhut des einen Pärchens.
In den ersten Septembertagen 1970 hatte Peter Homann Kontakt zu Hanna aufgenommen und sie nach Hamburg gebeten. An einem Samstag trafen wir uns. Hanna berichtete, daß die Gruppe inzwischen nach Berlin zurückgekehrt war und jemand nach Sizilien schicken wollte, um die Kinder ins Waisenlager nach Jordanien zu bringen.
Der Entschluß war schnell gefaßt. Man mußte dem Abgesandten der Gruppe zuvorkommen. Wir riefen den italienischen Kontaktmann in Sizilien an, nannten das Kennwort »Professor Schnase« und kündigten an, daß am nächsten Tag um 14 . 14 Uhr auf dem Flughafen in Palermo jemand ankäme, um die Kinder abzuholen.
Am Morgen um 7 . 00 Uhr saß ich in der Maschine
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