Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
zu lästig gewesen. Die beiden waren begeistert und gaben ihm den nächsten Auftrag. Er sollte Fahrräder klauen. Doch als die abgeholt werden sollten, standen nur noch die Rahmen angeschlossen da. Die übrigen Teile hatte ein anderer Dieb abmontiert.
In seiner Wohngemeinschaft bekam Boock Ärger, weil er plötzlich vor den anderen Geheimnisse hatte.
Boock blieb hart: »Das geht euch nichts an. Das ist nicht eure Sache. Kann ich euch nicht einweihen. Müßt ihr mit leben.« Er war froh, daß Andreas und Gudrun endlich wieder da waren, daß er ihnen helfen konnte. Endlich war die Wartezeit vorüber.
Am 14 . August 1970 erhielt der Automechaniker Eric G. Besuch in seiner Berliner Werkstatt. Hans-Jürgen Bäcker, ein Freund aus dem »Republikanischen Club«, hatte zwei Männer mitgebracht. Die Ehefrau kochte Kaffee und holte den Aushilfsmechaniker Karl-Heinz Ruhland aus der Werkstatt dazu.
Nachdem man sich über die politische Lage unterhalten hatte, kamen die Besucher zur Sache: »Wir brauchen Autos. Die kann man entweder klauen oder mieten und nicht zurückgeben. In beiden Fällen müssen die Wagen umfrisiert werden. Könnt ihr solche Arbeiten übernehmen?«
Gegen gute Bezahlung sollten die Fahrzeuge mit neuen Motor- und Fahrgestellnummern versehen und teilweise umgespritzt werden. Außerdem sollten neue Tür- und Zündschlösser eingebaut werden. Die beiden Automechaniker sagten zu.
Karl-Heinz Ruhland war hoch verschuldet. Er interessierte sich mehr für das in Aussicht gestellte Bargeld als für Baaders und Mahlers politische Absichten.
»Kalle« Ruhland, geboren 1938 in Berlin, hatte ein ziemlich trostloses Leben hinter sich. Sein Vater war Buchbinder gewesen und hatte die acht Kinder kaum ernähren können. Schon als Schüler mußte Karl-Heinz mitarbeiten, da blieb für den Unterricht kaum Zeit.
Er ging von der Schule ab, wurde Laufbursche bei einer Elektrofirma, arbeitete in einer Tischlerei, auf einem Bauernhof und heuerte schließlich auf einem Binnenschiff an. Er heiratete, wurde Vater zweier Kinder, ließ sich scheiden, heiratete wieder. Er nahm eine Stelle auf dem Schlachthof an, wechselte die Arbeitsplätze in immer schnellerer Folge. Von Ratenzahlungen gedrückt, stand er mehrmals wegen Unterschlagung und Betrug vor Gericht, wurde zu kurzen Freiheitsstrafen verurteilt.
Das Gespräch in der Autowerkstatt dauerte bis zum Abend. Ruhland nahm an, daß hinter Baader und Mahler eine größere »Kampftruppe« stand, und war enttäuscht, als er erfuhr, daß es gerade 25 Leute waren, die in der Bundesrepublik einen revolutionären Umsturz planten. Die weitschweifigen politischen Erörterungen der Besucher langweilten ihn. Er ging wieder an seine Arbeit.
In den folgenden Tagen tauchten dort in Abständen neue Leute auf. Irene Goergens, die »Peggy« genannt wurde, Astrid Proll, genannt »Rosi«, Gudrun Ensslin unter dem Namen »Grete«. Horst Mahler ließ sich »James«, Andreas Baader »Hans« nennen. Nur von diesen beiden erfuhr Ruhland die wirklichen Namen.
Die ersten Wagen rollten in die Reparaturwerkstatt. Sie wurden umgespritzt und bekamen neue Motor- und Fahrgestellnummern. Hans und James halfen dabei.
Um den 1 . September herum sprach der Werkstattbesitzer seinen Mitarbeiter Ruhland an: »Die haben mit mir darüber geredet, daß sie einen Banküberfall planen, und mich gefragt, ob ich mitmachen würde.«
»Und was hast du gesagt?«
»Ich hab gesagt, ich mache mit und du wahrscheinlich auch.«
Ruhland war überrascht: »Das muß ich mir erst mal überlegen.«
Eine Woche später war James wieder da und erklärte, daß sie vier Banken in Berlin gleichzeitig überfallen wollten, wozu vier Gruppen gebildet werden müßten.
Er fragte Ruhland, ob er bereit sei, mitzumachen.
Ruhland sagte zu.
Am Morgen des 29 . September war es soweit. Zwischen 9 . 48 Uhr und 9 . 58 Uhr wurden in Berlin drei Banken überfallen. Es war eine der seltenen Kooperationen zwischen der RAF und der »Bewegung 2 . Juni«.
In der Berliner Sparkasse Altonaer Straße betrug die Beute gerade mal 8115 Mark. Ein Karton mit 97 000 Mark wurde übersehen. Anders, als es später im Urteil stand, waren an dem Überfall Ralf Reinders, Georg von Rauch und zwei weitere Männer, einer von der RAF und einer vom » 2 . Juni«, beteiligt.
In der Berliner Bank Rheinstraße entkamen Baader, Mahler, Grusdat, Ruhland und Irene Goergens mit 154 182 , 50 Mark.
In der Berliner Sparkasse, Zweigstelle Südwestkorso,
Weitere Kostenlose Bücher