Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
durchgeführt werden, da die Gruppe vermutet, daß sich dort ein getarntes Büro des amerikanischen Geheimdienstes CIA befindet.«
Im Zuge der Ausbildung im Kommandolager der El Fatah seien sie in der selbständigen Herstellung von Spreng- und Brandsätzen unterrichtet worden. »Außerdem ist vorgesehen, Spezialdruckmaschinen in der Druckerei des Springer Verlages unbrauchbar zu machen. Darüber hinaus wurde erwogen, den Westberliner Innensenator Neubauer zu entführen und damit die Freilassung politischer Gefangener zu erzwingen.«
Zur Begründung sagte Bäcker: »Durch die Aktionen wird das Ziel verfolgt, den Abzug der USA -Besatzungstruppen aus Westberlin wegen ihres verbrecherischen Krieges in Indochina zu erzwingen, den Willkürapparat der Westberliner Polizei und Justiz zu erschüttern und die Angestellten zu demoralisieren sowie die Ablösung des Innensenators Neubauer herbeizuführen.«
Als er alle Fragen schriftlich beantwortet hatte, nahm einer der Geheimdienstleute das Papier, wedelte damit herum und sagte: »Das wird jetzt geprüft. Wenn die Generalstaatsanwaltschaft der DDR feststellt, daß alles stimmt, können Sie gehen.«
Die DDR -Geheimdienstler faßten Bäckers Aussagen zu einem Bericht zusammen und schickten ihn an den Genossen Minister und die Leiter der Stasi-Hauptabteilungen IX , VI , II / 8 und II / 2 . Damit war das Ministerium für Staatssicherheit gründlich über die Pläne der entstehenden RAF unterrichtet.
Am nächsten Tag wurde Hans-Jürgen Bäcker von den Stasimännern zum Grenzübergang Friedrichstraße gebracht. Dort gaben ihm die Beamten seine Pistole zurück, und er durfte die DDR in Richtung Westen verlassen.
6. »Shoot him«
Zur selben Zeit wurde Peter Homann von den Palästinensern aus dem Lager abgeholt und in einem alten Mercedes nach Amman gefahren. Er bekam ein Zimmer zugewiesen, erhielt englische Zeitungen und einen Betreuer. Dann gab ihm die PLO den Auftrag, einen Bericht über die Gruppe und ihr Verhältnis zur politischen Situation in der Bundesrepublik anzufertigen. Er verfaßte etwa zehn Seiten und hielt sich mit seinem negativen Urteil über die Baader-Mahler-Meinhof-Truppe nicht zurück. Als er seinen Bericht abgeliefert hatte, lud Abu Hassan ihn zum Essen ein. Dabei kam dieser auf Homanns Konflikte mit der Gruppe zurück. »Du bekommst von mir die Möglichkeit, ihnen zuzuhören; was sie zu sagen haben und auch, was sie über dich sagen werden.«
Das Treffen fand am nächsten Abend auf der Terrasse des Hauses statt, in dem Homann untergebracht war. Er konnte das Gespräch Abu Hassans mit Baader, Ensslin, Mahler und Ulrike Meinhof durch das geöffnete Fenster aus fünf Meter Entfernung verfolgen. Das Zimmer, in dem er saß, war dunkel, die Terrasse nur vom Nachthimmel über Amman erleuchtet. Ab und zu hörte man Schüsse und fernes Maschinengewehrfeuer. Die anderen konnten ihn nicht sehen. Anfangs ging es um die Rückkehr der Gruppe nach Deutschland. Diplomatisch und distanziert erklärte Abu Hassan, die Fatah werde selbstverständlich dafür sorgen, daß die Gruppe unbeschadet nach Berlin zurückkehren könne. Gudrun Ensslin war die Wortführerin der vier, weil sie als einzige fließend Englisch sprach. Baader machte seine Bemerkungen auf Deutsch und zischelte Gudrun ungeduldig zu: »Übersetz ihm das doch, übersetz ihm das doch.« Gudrun fragte, ob El Fatah der Gruppe Waffen zur Verfügung stellen würde. Abu Hassan hielt das für denkbar, machte aber keine Zusagen.
Dann sprach Gudrun Ensslin davon, daß Ulrike Meinhofs Kinder, zwei siebenjährige Mädchen, zur Zeit auf Sizilien versteckt seien. Dort könnten sie aber nicht länger bleiben. Ob es denkbar sei, daß die Zwillinge nach Jordanien gebracht und dort in einem der Ausbildungslager für palästinensische Waisenkinder aufgezogen würden? Abu Hassan konnte sich das vorstellen, aber er bemerkte: »Wenn das geschieht, werdet ihr die Kinder nie wiedersehen. Dann sind sie palästinensische Waisenkinder.«
Hans-Jürgen Bäcker sagte später im Rückblick auf die Wochen in Jordanien: »Ulrike war zu dieser Zeit fix und alle, weil sie nicht wußte, was aus ihren beiden Töchtern werden sollte. Sie hatte dieses Kopf- und Bauchdenken. Sie wollte nicht, daß Röhl die Kinder kriegt, aber sie wollte sie auch nicht nach Palästina schicken. Wir hatten ja die ›Jungen Rosen‹, die Organisation der El Fatah für junge Mädchen, in Jordanien gesehen, zumeist Waisen, die eine Ausbildung an der Waffe bekamen.« Er
Weitere Kostenlose Bücher