Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
hing ein Fahndungsplakat, darauf ein Foto von ihm.
Wir fragten den Polizeibeamten, was er denn zu Abend gegessen habe.
»Bratkartoffeln«, sagte der Beamte.
»Mit Speck und Zwiebeln?«
»Aber immer.«
Wir lachten. Der Polizist ließ sich die Pässe geben und begann, das Protokoll aufzunehmen. Er rief bei der Polizei in Hamburg an, um meine Personalien zu überprüfen. Alles war in Ordnung. Der Paß war nicht gestohlen, keine Fahndungsersuchen, nichts. Dann nahm er Homanns Paß, der in Bremen ausgestellt war – und auf einen anderen Namen lautete.
»Können Sie mir die Vorwahlnummer von Bremen sagen?«
Homann kannte die Vorwahlnummer seines angeblichen Heimatortes nicht. »Nun gut«, sagte der Polizist, »dann muß ich eben im Telefonbuch nachsehen.«
Es war nach 18 . 00 Uhr, die Amtsleitung nach Bremen war ständig besetzt.
Schließlich, nach einer halben Stunde fruchtloser Dreherei an der Wählscheibe, sagte ich: »Wissen Sie was? Sie wollen nach Hause, wir wollen nach Hause. Jetzt schreiben Sie das alles auf meinen Namen, und die Sache ist okay. Dann bezahle ich das Bußgeld eben allein.« Der Polizeibeamte nickte. Ich unterschrieb das Protokoll, wir konnten uns verabschieden und fuhren zurück nach Hamburg. Das Kleinkalibergewehr blieb in polizeilichem Gewahrsam.
Als später öffentlich bekannt wurde, daß die Polizei Homann nicht mehr der Mitwirkung an der Baader-Befreiung verdächtigte, stellte er sich und wurde nach kurzer Untersuchungshaft entlassen.
8. Der Dreierschlag
In Berlin wurde der »Untergrundkampf« vorbereitet. Wohnungen wurden angemietet und Autos besorgt. Ulrike Meinhof nahm Kontakte zu Linken und Liberalen auf, die sie aus ihrer Zeit als Journalistin kannte. Einige von ihnen waren durchaus prominent. Nur wenige sympathisierten mit dem bewaffneten Kampf, aber einer Ulrike Meinhof, zumal wenn sie von der Polizei gesucht wurde, schlug man nicht die Tür vor der Nase zu.
Auch Ulrike lief jetzt mit einer Pistole in der Handtasche herum. Eines Tages ließ sie sich darin unterweisen, wie man Autos knackt. Ungeschickt, wie sie in technischen Dingen war, brach sie dabei das Lenkrad des Wagens ab und brachte es als Trophäe mit nach Hause.
Manchmal ließ sie durchblicken, daß sie Schuldgefühle ihrer Kinder wegen hatte. Solche »Anwandlungen von Schwäche« wurden von Baader und Ensslin heftig attackiert. Baader beschimpfte sie als »bürgerliche Fotze«, und Ulrike verstummte.
So mutig sie in ihrer politisch-publizistischen Arbeit nach außen hin immer erschienen war, so sehr neigte sie im Privaten, in der persönlichen Auseinandersetzung zum Nachgeben, zur Unterwerfung, zur Selbsterniedrigung. Ihr Einfluß innerhalb der Gruppe war gering, sehr viel geringer jedenfalls, als das Schlagwort »Baader-Meinhof-Gruppe« nach außen hin signalisierte.
Auch Andreas Baader und Gudrun Ensslin besannen sich ihrer alten Kontakte und schickten einen Abgesandten zu Peter-Jürgen Boock nach Frankfurt. Der hatte in der Zwischenzeit Geld für die Tupamaros in Uruguay gesammelt, hatte mitgeholfen, farbige Amerikaner, die nach Vietnam eingezogen worden waren, ins neutrale Schweden zu schaffen, hatte auch gemeinsam mit Schwarzen gedealt. Und hatte natürlich in den Zeitungen verfolgt, daß seine Helden aus der Fürsorgebewegung im Laufe weniger Monate zu Staatsfeinden geworden waren.
»Jemand will dich sprechen«, sagte der Bote. »Kauf dir eine ›Herald Tribune‹.« Mit dieser Zeitung unter dem Arm solle er an einem Treffpunkt erscheinen. Dann werde er weitergeführt.
Boock hatte zwar den Namen dieser Zeitung noch nie gehört, schaffte es aber, alle Anforderungen ordentlich zu erfüllen. Baader und Ensslin erwarteten ihn in einem Hochhausappartement. Bald darauf saßen sie wie früher zu dritt auf einem Matratzenlager. Er mußte erzählen, womit er sich im Augenblick beschäftigte, und dann berichteten die beiden von ihrer Reise nach Jordanien und der militärischen Ausbildung im Palästinenserlager. Jetzt seien sie zurück, lebten in der Illegalität und planten Anschläge.
»Kannst du dir vorstellen, die eine oder andere Hilfsgeschichte für uns zu machen?«
»Was denn so?« fragte Boock.
»Fangen wir mal klein an. Wir brauchen Bücher aus der Uni-Bibliothek, über anorganische Chemie. Hier ist eine Liste.«
Boock nickte und zog los. Der Einfachheit halber ließ er die Bücher aus der Bibliothek einfach mitgehen. Fotokopieren, das erklärte er Baader und Ensslin bei der Übergabe, wäre
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