Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
in Westberlin zu organisieren«, sagte der FDJ -Sekretär. »Es ist unüberlegt von Ihnen, zum Zentralrat der FDJ zu kommen. Der kann für Sie kein Partner sein.«
»Wir suchen das Gespräch mit Genossen der SED «, erwiderte Ulrike Meinhof. »Das ist für uns politisch wichtig. Wir wollen den Zentralrat der FDJ natürlich nicht durch illegale Geschichten im Ausland belasten.« Dann sprach sie abfällig über die »intellektuellen Linken«, die nur theoretische Linien ausarbeiten würden, aber nicht bereit seien, den Kampf mitzuführen.
Der SED -Mann hielt dagegen: »Die Auffassung und das Wirken vieler Splittergruppen, die zugleich Antiimperialismus und Antikommunismus auf ihre Fahne geschrieben haben, sind dem antiimperialistischen Kampf nicht dienlich.«
»Man muß sich eben über vieles politisch verständigen«, lenkte Ulrike Meinhof ein.
Der FDJ -Sekretär notierte später in seinem als streng vertraulich gekennzeichneten Gesprächsprotokoll: »Ich hatte den Eindruck, daß Ulrike M. nach einem Ausweg aus ihrer prekären Lage suchte und ziemlich ratlos ist. Sie machte einen hilflosen Eindruck.«
Zum Schluß fragte Ulrike Meinhof noch einmal, ob es möglich sei, sofort mit verantwortlichen Genossen Verbindung aufzunehmen und ihren Wunsch weiterzuvermitteln.
»Das ist mir nicht möglich«, sagte Rau. »Ich werde lediglich meine Genossen informieren, dann könnten Sie eventuell morgen noch einmal vorbeikommen.«
Ulrike Meinhof erklärte, sie würde am nächsten Tag gegen 10 . 30 Uhr wieder da sein: »Was soll ich machen, wenn ich an der Grenze festgehalten werde?«
»Sie müssen selbst wissen, was Sie auf sich nehmen, wenn Sie sich mit falschen Papieren in der DDR aufhalten.«
»Es ist mir ganz gleichgültig, wenn ich aufgehalten werde. Dann bitte ich darum, mit den Genossen von der Staatssicherheit zu sprechen.«
»Das ist Ihre Angelegenheit und nicht die der FDJ .«
»Kann ich dann sagen, daß ich zum Genossen Rau möchte?«
»Das können Sie den Genossen natürlich sagen.«
Nach zwanzig Minuten war das Gespräch beendet. Ulrike Meinhof verabschiedete sich. Genosse Rau informierte die Westabteilung des Zentralkomitees der SED über seine Besucherin. Von dort aus wurde noch am Abend die Hauptverwaltung Aufklärung, die Auslandsspionage des Ministeriums für Staatssicherheit, informiert. Gegen 20 . 00 Uhr verließ Ulrike Meinhof über den Bahnhof Friedrichstraße die DDR wieder.
Auch Stasichef Mielke wurde laut Aktennotiz sofort unterrichtet, und der reagierte sofort: »Entsprechend der Weisung des Genossen Minister wurde der Meinhof die Einreise in die DDR und die Hauptstadt der DDR sowie der Transitverkehr gesperrt. Entsprechende Maßnahmen wurden durch die HA VI eingeleitet.«
Am nächsten Morgen gegen 10 . 30 Uhr tauchte Ulrike Meinhof wieder bei der Einreisestelle für Ausländer am Bahnhof Friedrichstraße auf. Sie legte ihren französischen Paß vor, der sofort abgelichtet wurde. Dann teilte man ihr mit, ihre Einreise in die DDR sei nicht erwünscht. Ulrike Meinhof war verwirrt: »Das ist mir unverständlich. Meine Einreise ist notwendig. Ich bin mit Vertretern des Zentralrats der FDJ verabredet. Da kann ich nicht einfach fernbleiben.« Sie verlangte, den Vorgesetzten des Offiziers zu sprechen oder wenigstens mit ihrem Jugendfreund Rau vom Zentralrat der FDJ zu telefonieren.
Der Vorgesetzte erschien und forderte sie ohne weitere Diskussion auf, nach Westberlin zurückzukehren.
»Dann will ich einen Vertreter der Stasi sprechen«, verlangte Ulrike Meinhof. »Ich gehe nicht weg, ohne einen davon gesprochen zu haben.« Es wurde ein weiterer Vorgesetzter geholt. Der erklärte ihr, daß niemand mit ihr sprechen würde. »Sie haben unverzüglich nach Westberlin zurückzugehen.«
Die Stasioffiziere notierten: »Es muß eingeschätzt werden, daß sich die R. [Ray] sehr korrekt benahm, sehr bewußt auftrat, ohne dabei laut und provokatorisch zu werden. Sie sprach ein gut verständliches Deutsch.«
Zwei Tage später, am 20 . August 1970 , änderte Stasichef Mielke offenbar seine Strategie. Der »Linie Paßkontrolle« wurde mitgeteilt:
»Der Genosse Minister hat mich beauftragt, folgende Maßnahmen gegen die Westberliner Bürgerin Meinhof, Ulrike, weitere Personalien bekannt, einzuleiten.
Der M. ist beim Erscheinen an der Grenzübergangsstelle die Einreise zu gestatten. M. wird möglicherweise einen französischen oder anderen ausländischen Paß vorweisen.«
Während der Abfertigung sei sofort
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