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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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verwinkelten Haus in Ostberlin bei seiner Mutter auf. Im vaterlosen Haushalt lebten noch zwei Tanten. Nach der Grundschule in Ostberlin wurde er dort nicht in eine höhere Schule aufgenommen, da das Kind großbürgerlicher Herkunft nicht den geforderten »gesellschaftlichen Einsatz« gezeigt hatte. Fortan fuhr der Junge jeden Tag mit der S-Bahn nach Westberlin und besuchte die »Bertha von Suttner Oberschule«. Von Zeit zu Zeit blieb er auch mal bei Verwandten in Westberlin und übernachtete dort. Als am 13 . August 1961 die Mauer gebaut wurde, schrieb Jan-Carl an seine Mutter im anderen Teil der Stadt: »Ich will auf jeden Fall hierbleiben. Ich sehe in Ostberlin keine Zukunft.«
    Der Siebzehnjährige blieb bei Onkel und Tante im Westen der Stadt, machte zwei Jahre später das Abitur und studierte anschließend an der Freien Universität, anfangs Chemie, zwei Semester später wechselte er zur Soziologie über.
    Wie viele Studenten in Westberlin engagierte er sich gegen die Notstandsgesetze und demonstrierte gegen den Schahbesuch. Der 2 . Juni 1967 , der Tod Benno Ohnesorgs durch die Kugel aus der Dienstpistole eines Polizisten, hatte auch ihn verändert. Er wurde Mitglied im »Sozialistischen Deutschen Studentenbund«.
    Im August 1967 wurde er zum Mitbegründer der Wohngemeinschaft »Kommune  II «. Vier Männer, drei Frauen und zwei Kinder lebten in einer großen Altbauwohnung mit dem Ziel, sich selbst zu verändern, um dann die Gesellschaft zu ändern. Ihr Leben, ihre Gespräche und Reflexionen protokollierten sie und veröffentlichten diesen Erfahrungsbericht als Buch.
    Jan-Carl Raspe war als Autor daran beteiligt. Er schrieb über seine Erfahrungen in der politischen Wohngemeinschaft: »Der Versuch … ist weitgehend gescheitert. Der Anspruch aber, die einmal ausgesprochenen Interessen auch zu verwirklichen, war so stark, daß davor nur die Flucht möglich schien. Austritt aus der Kommune oder Sturz in einen betäubenden Aktionismus.«
    Raspe verließ die »Kommune  II «, machte sein Diplom in Soziologie mit »Sehr gut« und zog später mit seiner Freundin Marianne in eine kleine Wohnung in der Kurfürstenstraße.
    Marianne war mit Ulrike Meinhof befreundet. Nach der Rückkehr aus Jordanien wurde die Wohnung zu einem Zufluchtsort der Gruppe, und im Herbst 1970 waren Jan-Carl Raspe und Marianne nicht nur Quartiergeber, sondern auch bei Aktionen dabei.

12. Eine Polizeikontrolle
    Der von Raspe aus Berlin mitgebrachte R 16 war inzwischen auf einem Parkplatz in der Ortschaft Heinsen abgestellt worden. Ruhland und Ulrike Meinhof fuhren dorthin, um den Wagen abzuholen. Als Ulrike gerade in den roten Renault umsteigen wollte, tauchte eine Funkstreife auf. Der Polizeimeister hatte den Wagen schon seit ein paar Tagen im Auge gehabt und sprach Ulrike Meinhof an. Sie legte einen Reisepaß und einen Führerschein auf den Namen Sabine Marckwort und den Kraftfahrzeugschein des Wagens vor, dessen Halter ein Wolfgang B. aus Berlin sein sollte.
    »Von dem haben Sie auch den Wagen geliehen?« fragte der Polizeibeamte.
    »Nein, ich kenne ihn nicht. Ich habe den Wagen von einem Mann, dessen Namen ich aus privaten Gründen nicht nennen möchte. Ich habe den Wagen hier abgestellt und wollte nur etwas herausholen. Das Auto soll hier stehenbleiben. Ich bin mit meinem Bekannten von Hameln gekommen und will mit ihm weiter nach Holzminden.«
    Sie deutete auf Ruhland. Die Frau wirkte auf den Polizeibeamten unsicher und ungepflegt.
    »Ich muß Ihre Angaben überprüfen«, sagte er.
    »Sie können ja den Autoschlüssel und die Papiere mitnehmen. Ich erledige dann in der Zwischenzeit noch etwas in Holzminden und komme später zurück.«
    Der Beamte blätterte unschlüssig in den Papieren. »Sie sind Lehrerin in Suhlendorf?«
    »Ja«, sagte Ulrike Meinhof, »aber ich bin schon längere Zeit krank und währenddessen nicht in Suhlendorf gewesen.«
    »Ich sehe, Sie waren öfter in der DDR ?«
    »Ja, ich habe dort Bekannte besucht.«
    Der Polizeimeister bat die Frau, in seinen Dienstwagen einzusteigen, bis er die Überprüfung abgeschlossen habe. Über Funk rief er die Zentrale an und gab den Namen der Lehrerin durch.
    Währenddessen versuchte Ulrike Meinhof, aus dem Streifenwagen auszusteigen. »Ich gehe ein bißchen spazieren«, sagte sie.
    »Bitte bleiben Sie hier.«
    Ulrike Meinhof öffnete die Tür und lief in Richtung Bundesstraße, wo Ruhland auf sie wartete.
    Zusammen mit seinem Kollegen rannte der Polizeibeamte hinter ihr her und

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