Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Volkswagen 1500 . Die übrigen Teile werden nach und nach besorgt und zusammengebaut.«
Tatsächlich machte sich Eric noch im Oktober an die Arbeit. Motor und Getriebe waren vorhanden. Das Gerüst wurde nach einem Handbuch über Hubschraubertechnik konstruiert, das aus Ostberlin stammte. Auf die Idee war er gekommen, weil er bei einer Reise nach England in einem Luftfahrtmuseum einen solchen Minihubschrauber gesehen hatte.
Der Automechaniker fertigte Zeichnungen an und konstruierte drauflos.
Als Mitte Februar 1971 Polizeibeamte die Werkstatt durchsuchten, stießen sie auf Einzelteile des unfertigen Minihubschraubers. Verwirrt notierten die Beamten: »In der Garage stand eine Konstruktion aus einem Motor mit dazugehörigen Maschinenteilen, welche erkennen ließen, daß hier versucht wurde, einen Apparat zu fertigen, dessen Antrieb durch Gelenke in einem rechten Winkel zur eigentlichen Kurbelwelle liegt. In diesem Raum lag auf einer Werkbank ein halbfertiges Gerüst für eine tragflächenähnliche Konstruktion. Daneben wurde ein Gerüst gefunden, welches vermutlich als tragende Konstruktion für ein Kabinengehäuse vorgesehen ist.«
Die Polizeibeamten fotografierten das unbekannte Flugobjekt.
10. Im Zickzackkurs durch die Republik
Ruhland machte sich in seinem VW -Bus auf den Weg nach Westdeutschland. Am 1 . November 1970 sollte er Ulrike Meinhof in Hannover treffen. »Anna«, die er bis dahin nur flüchtig kennengelernt hatte, wartete vor einer Tasse Kaffee im ersten Stock des Bahnhofsrestaurants auf ihn. Sie trug kurze, blond gefärbte Haare. Gemeinsam brachen sie zu einer planlosen Reise durch die Republik auf. In Köln, Oldenburg und Hannover besuchten sie alte Freunde Ulrikes, die später, als Ruhland Aussagen bei der Polizei gemacht hatte, mit Ermittlungsverfahren wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung überzogen wurden. Einer von ihnen war Professor Peter Brückner, damals 49 Jahre alt, Ordinarius für Psychologie an der Technischen Hochschule Hannover. Der Professor wurde vom Dienst suspendiert und durfte nie wieder an einer Universität lehren.
Später, in der Haft, schrieb Ulrike Meinhof über ihn: »Peter Brückner. Der sich den Luxus läßt, sein kontemplatives Verhältnis zu Erscheinungen und Bewegungen der Macht zu pflegen. Kein Revolutionär … Stoßt Brückner mit der Schnauze in die Wahrheit …«
Ende 1970 : die Zeit der Ostverträge. Brandt und Scheel, Kanzler und Außenminister, hatten in Moskau den deutsch-sowjetischen Vertrag unterschrieben; man verhandelte über die Verträge mit Polen. Die äußeren Feindbilder aus der Zeit des Kalten Krieges begannen zu verblassen. Innerhalb der SPD forderten die Jusos eine Rückbesinnung auf Arbeiterpartei und Klassenbewußtsein; Parteivorstand, Parteirat und Kontrollkommission der SPD beschlossen am 14 . November 1970 : Zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten gibt es keine Arbeitsgemeinschaft. Es war die Grundlage für den späteren »Radikalenerlaß«.
Ulrike Meinhof und Karl-Heinz Ruhland setzten ihre Zickzacktour durch die Republik fort. In Oberhausen sollte Ali Jansen Pässe beschaffen. In der Kneipe »Rex 2 « am Hauptbahnhof trafen sie Jansen um die Mittagszeit in einem Kreis fröhlicher Zecher. Er selbst war so betrunken, daß er kaum sprechen konnte. Meinhof und Ruhland schleppten ihn zu ihrem Wagen und fuhren nach Köln. Pässe hatte er nicht besorgt, das dafür vorgesehene Geld auf den Kopf gehauen.
Gemeinsam fuhren sie zum Bundeswehrstützpunkt Munsterlager und legten sich mit dem Nachtglas auf die Lauer. Alle zwei Stunden passierten die Wachsoldaten das Depot. Ruhland holte eine Leiter, und während Ulrike Meinhof Schmiere stand, kletterten die Männer über den zwei Meter hohen Maschendrahtzaun.
Das Waffendepot befand sich in einem kleinen Kasernenanbau. Die Tür war aus Stahlblech, gesichert mit einem Vorhängeschloß. Ruhland flüsterte Jansen zu: »Das knacke ich in acht Minuten.« Die Aktion sollte gestartet werden, sobald aus Berlin Verstärkung eingetroffen war. Andreas Baader mußte dabei sein.
Sie übernachteten zweimal in der Wohnung Professor Brückners und zogen dann in ein von Ulrike Meinhof gemietetes Wochenendhaus in Polle bei Hannover. Nach und nach sollten die Berliner dorthin kommen. Ali war inzwischen wieder nach Munsterlager gefahren. Als er mit der Bahn zurückkehrte, war er wieder einmal betrunken. Den blauen VW , mit dem er losgefahren war, hatte er bei Soltau auf einen Acker
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