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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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einer hochmodernen IBM -Maschine angefertigt, erregte Verdacht. Das brachte Grünhagen in Verlegenheit, aber er erzählte rasch von einer Tante, die zu Hause Adressen schreibe und eine solche Maschine besitze. Daraufhin wurde ihm auf den Kopf zugesagt, daß er V-Mann des Verfassungsschutzes oder der Politischen Polizei sei. Grünhagen tauchte nie wieder in der Basisgruppe auf.
    Wenig später brachte » 883 « auf der Titelseite eine Notiz: »Grünhagen als Agent entlarvt«. Dazu seine Adresse. APO -Anhänger schütteten ihm kurz darauf Buttersäure durch den Briefschlitz in die Wohnung.
    Grünhagen mußte sich die politischen Hintergründe und die Motivationen illegal operierender Gruppen nicht erst mühsam anlesen. Er kannte viele der Personen, die später im Umfeld der Baader-Meinhof-Gruppe auftauchten, von Angesicht zu Angesicht. So lag es nahe, Grünhagen nach Westdeutschland zu schicken, als die Gruppe ihr Tätigkeitsfeld dorthin verlagerte.

20. Eine Schießerei im Westend und ihre Folgen
    Am 10 . Februar 1971 saß der Verfassungsschutzbeamte Michael Grünhagen im Restaurant »Schultheiss am Westend« in Frankfurt vor einer Tasse Suppe. Er hatte schon vorher bezahlt.
    Als ein junger Mann und ein Mädchen vom Nebentisch das Lokal verließen, folgte ihnen Grünhagen. Aus einem vor dem »Schultheiss« geparkten Wagen stieg nun der Kriminaloberkommissar Heinz Simons von der Sicherungsgruppe Bonn und folgte dem Verfolger Grünhagen. Vor der nahen Staufenstraße bog das Quartett – immer auf Distanz – in die Unterlindau ein. Vor dem Haus Nummer  28 zögerten der Mann und die Frau, blickten zurück und gingen dann eilig weiter. Grünhagen und Simons schlossen auf, und kurze Zeit später stoppten sie die beiden: »Ausweiskontrolle«. Es war 21 . 15 Uhr. Daraufhin, so erinnerte sich Simons später, zog der junge Mann eine Pistole und rief seiner Begleiterin zu: »Hau ab, lauf weg!« Simons schoß hinter den Flüchtenden her. Verletzt wurde niemand. Das Pärchen entkam. Es waren Manfred Grashof und Astrid Proll.
    Grashof hatte nicht geschossen. Astrid Proll war unbewaffnet.
    Über eine Baustelle rannte Grashof davon und mischte sich unter Passanten. Einige Zeit später sprach er einen jungen Mann an und erzählte ihm, was geschehen war. Der Mann lotste Grashof aus der Gefahrenzone und kaufte ihm zum Abschied eine U-Bahn-Fahrkarte.
     
    Die Schießerei in der Unterlindau wurde mehr als zweieinhalb Jahre später zum Hauptanklagepunkt gegen Astrid Proll: Mordversuch, sie habe auf die Beamten geschossen. Schon im ersten Verfahren kamen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der beiden Beamten auf, zu groß waren die Widersprüche in ihrer Schilderung des Tathergangs. Aber erst im zweiten Proll-Prozeß – die Angeklagte war inzwischen aus gesundheitlichen Gründen freigelassen worden und hatte sich nach England abgesetzt, war dort aber wieder festgenommen worden – wurde die Mordversuch-Anklage gegen sie fallengelassen. Es waren nämlich noch weitere Beamte am Schauplatz gewesen, Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Sie hatten in einem Aktenvermerk festgehalten, daß Astrid Proll nicht geschossen hatte. Das entlastende Verfassungsschutzpapier wurde erst acht Jahre nach dem Vorfall an das Gericht gegeben.
     
    Nach der Schießerei im Frankfurter Westend lief die erste große bundesweite Fahndungsaktion an. Die von Ruhland genannten Wohnungen wurden durchsucht, die Quartiergeber festgenommen und verhört. Die Presse stieg ein, Einzelheiten aus den Vernehmungen Karl-Heinz Ruhlands machten die Runde, aus dem Zusammenhang gerissen, verfälscht oder übertrieben. Die »Hamburger Morgenpost« schrieb: »Inzwischen scheint sich die Fahndung nach den Bandenmitgliedern zu einer Art Hysterie zu entwickeln. Rund ein Dutzend falscher Meldungen lösten in den letzten Tagen bei der Polizei Alarm aus und hielten die Beamten im ganzen Bundesgebiet in Atem.«
    Ein Gastwirt im Dorf Wiershausen bei Hannoversch Münden glaubte, Ulrike Meinhof und Manfred Grashof in seinem Lokal gesehen zu haben. Ein Paar, auf das die Beschreibung paßte, hatte das Lokal betreten und etwas zu trinken bestellt. Als die beiden auf dem Tresen eine Zeitung mit den Fahndungsfotos der Baader-Meinhof-Gruppe entdeckten, so sagte der Gastwirt aus, hätten sie sofort bezahlt und seien, ohne vorher das Licht einzuschalten, mit dem Auto davongebraust. Eine Fahndung der sofort alarmierten Polizei blieb erfolglos.
    In Bremen glaubte das Personal eines Hotels

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