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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Bad, und es war völlig klar, daß Andreas und Gudrun diese Wohnung bekamen. Ja, wieso denn?, hatte jemand gefragt, diese Wohnung entspricht doch nicht Baaders Sicherheitsvorschriften. Weil die Wohnung ein Bad hat. Ja, wieso kriegt Andreas ein Bad und wir nicht?
    Das war doch wohl klar: Der hat mal im Knast gewohnt. Das kannst du dem doch nicht zumuten, hatte es geheißen, der hat da so im Knast gelitten, der muß immer ein Bad haben.
    Beate hatte Andreas nicht einschätzen können. Mit seinen Wutausbrüchen konnte sie nichts anfangen. Sie fand es sinnlos. Man konnte nur zurückbrüllen.
    In Kassel langte es ihr dann vollends. Ein Auto streikte. Sie schob, und es sprang nicht an. Sie hatte die Nase voll und ging ins Bett. Mitten in der Nacht wurde sie von Ulrike geweckt. Vier Stunden lang redete sie auf Beate ein und kam zum Schluß darauf, ihr fehle die politische Motivation. Beate Sturm hatte das Gefühl, Ulrike würde das achtzigmal wiederholen. »Nun sag doch mal«, forderte Ulrike sie auf. »Sag doch endlich was dazu, du mußt mir doch sagen können – ist die politische Motivation da oder nicht?«
    »Kann ich nicht sagen, weiß ich nicht«, antwortete Beate, aber Ulrike wollte ein klares Ja oder Nein hören.
    »Überleg dir das mal«, sagte sie. Da war für Beate alles klar.
    Wenige Tage später, als die anderen nach Frankfurt gefahren waren, um dort Autos für Banküberfälle zu knacken, rief Beate Sturm bei ihren Eltern in Leverkusen an.
    »Ich komme nach Hause«, sagte sie und brach in Tränen aus.
    »Komm nur«, sagte die Mutter.
     
    Am 15 . Januar 1971 wurden in Kassel zwei Banken überfallen, die Zweigstellen der örtlichen Sparkasse in der Akademiestraße und im Kirchweg. Um 9 . 30 Uhr fuhren fünf Gruppenmitglieder mit einem in Göttingen gestohlenen Mercedes bei der Filiale Akademiestraße vor. Einer blieb im Auto sitzen, die anderen betraten den Schalterraum. Alle waren einheitlich dunkel gekleidet und hatten Pudelmützen mit Sehschlitzen über das Gesicht gezogen.
    Jemand rief: »Überfall! Nehmen Sie die Hände hoch, verhalten Sie sich ruhig! Es geschieht Ihnen nichts!« Zwei Warnschüsse wurden abgegeben. Die Beute betrug 54   185  Mark. Zur selben Zeit hielt ein in Frankfurt gestohlener BMW 2000 vor der Sparkasse im Kirchweg. Die zweite Mannschaft, ebenfalls mit dunklen Pudelmützen getarnt, stürmte in den Schalterraum. »Überfall! Ruhig bleiben! Hände hoch!« Einer sprang über den Tresen in den Kassenraum und stopfte 60   530  Mark in eine Tasche.
     
    Noch am selben Tag schickte Gudrun Ensslin zwei Pakete mit Geld in die Stuttgarter Wohnungen. Ein drittes Paket folgte eine Woche später.

18. Der Familienbulle
    Alfred Klaus war ein hochgewachsener, schlanker Mann, der gern lächelte und überaus höflich war. Er kleidete sich sportlich elegant und trug meist einen dünnen Seidenschal um den Hals. Alfred Klaus war ein freundlicher Mensch, der sein Gegenüber beim Gespräch aus strahlend blauen Augen anblickte. Zu Besuchen, besonders bei Damen, brachte er oft Blumen mit.
    Ende des Jahres 1970 hatte sich Alfred Klaus in einer Dependance der Sicherungsgruppe Bonn des Bundeskriminalamtes gerade ein neues Büro eingerichtet, mit neuen Möbeln, Zimmerpflanzen und allem, was dazugehört. Er war Sachgebietsleiter. Zwölf Beamte arbeiteten ihm zu. Alfred Klaus und seine Leute beschäftigten sich gerade mit dem Mord an einem algerischen Exilpolitiker, als er in seinen neuen Räumen angerufen wurde.
    »Komm runter, wir müssen eine Sonderkommission aufstellen«, hieß es am Telefon.
    Es ging um Bekämpfung des Terrorismus. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich die örtlich zuständigen Polizeibehörden und Landeskriminalämter mit der Verfolgung der Baader-Meinhof-Gruppe beschäftigt. Zwar war seit der Baader-Befreiung im Mai 1970 ein gutes Dutzend Gruppenmitglieder festgenommen worden, die Hauptfiguren Baader, Ensslin und Meinhof waren aber immer noch auf freiem Fuß. Jetzt, so hatte Bundesinnenminister Genscher den auf ihrer Länderhoheit bestehenden Innenministern abgerungen, sollte das Bundeskriminalamt zentrale Ermittlungsstelle werden.
    Alfred Klaus war in den Augen seiner Vorgesetzten der richtige Mann, um entscheidend beim Aufbau einer »Sonderkommission Terrorismus« mitzuwirken. Schon in den fünfziger Jahren hatte er sich mit politischen Straftaten – oder was man dafür hielt – befaßt. Er hatte gegen die verbotene KPD ermittelt und sich beruflich auch mit dem ideologischen

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