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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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beantworten.«
    »Haben Sie eine Bombe bei der ›Kommune  I ‹ hinterlegt?«
    »Ich darf die Frage nicht beantworten.«
    »Kamen die Bomben vom Verfassungsschutz?«
    »Darüber darf ich nichts sagen.«
    »Haben Sie bei den Beisetzungsfeierlichkeiten für Paul Löbe vor dem Rathaus Schöneberg an einem Kommune-Happening teilgenommen und einen selbstgebastelten Sarg mitgetragen?«
    »Darüber kann ich nichts sagen.«
    »Haben Sie anläßlich der Springer-Demonstration 1968 Fahrzeuge in Brand gesetzt?«
    »Darauf darf ich keine Auskunft geben.«
    »Haben Sie einen Brandanschlag auf einen Polizeipferdestall verübt, wobei das Polizeipferd ›Zerline‹ schwer verletzt wurde?«
    »Darauf kann ich nicht antworten.«
    Nach dem Auftritt Urbachs brach der Angeklagte Horst Mahler zum ersten Mal sein Schweigen. Ironisch bekundete er Verständnis für die Haltung des Innensenators, Urbach nur eine beschränkte Aussagegenehmigung zu erteilen: »Urbach müßte sonst das Geheimnis um die Herkunft der im November 1969 im jüdischen Gemeindehaus aufgefundenen Brandbombe lüften. Kurt Neubauer hätte sicherlich große Schwierigkeiten, einer erstaunten Weltöffentlichkeit plausibel zu machen, daß es eine Bombe aus den Arsenalen des Verfassungsschutzes war, die die Jüdische Gemeinde zu Berlin schreckte.«
    22 Verhandlungstage dauerte der Prozeß gegen Horst Mahler. Er wurde freigesprochen. Seine Mitangeklagten wurden wegen ihrer Beteiligung an der Baader-Befreiung verurteilt; Irene Goergens zu vier Jahren Jugendstrafe und Ingrid Schubert zu sechs Jahren.
    Das Gericht ging in der Urteilsbegründung davon aus, daß Mahler von der geplanten Befreiung gewußt habe, weil er in der Zeit davor in engem Kontakt zu der Gruppe um Baader und Ensslin gestanden hatte. Eine Beteiligung sei ihm jedoch nicht nachzuweisen – trotz der Aussagen des V-Mannes Peter Urbach.
    Nachdem Freispruch wurde Horst Mahler aber nicht auf freien Fuß gesetzt. Es lagen noch zwei weitere Haftbefehle gegen ihn vor.

23. »Irre ans Gewehr!«
    Im Februar 1970 , drei Monate vor der Baader-Befreiung, war in Heidelberg von Dr. Wolfgang Huber das »Sozialistische Patientenkollektiv« gegründet worden. Der 35 jährige Arzt, wissenschaftlicher Assistent an der psychiatrisch-neurologischen Universitätsklinik Heidelberg, hatte Schwierigkeiten mit Vorgesetzten und Kollegen und wurde entlassen. Daraufhin mobilisierte er seine Patienten, vorwiegend Studenten, die er in Gruppentherapie behandelt hatte. Gemeinsam besetzten sie die Diensträume des Verwaltungsdirektors der Klinik und traten in den Hungerstreik. Nach dieser Aktion lenkte die Universitätsleitung ein, zahlte Huber weiter seine Bezüge und stellte der Gruppe vier Räume zur Fortsetzung des sozialpsychiatrischen Projekts zur Verfügung.
    Im Frühsommer kam es wieder zu Schwierigkeiten mit der Universität. Huber und seine Patienten besetzten das Rektorat. Die Hochschule stellte wiederum einen Kompromiß in Aussicht, der aber vom baden-württembergischen Kultusministerium untersagt wurde. Inzwischen war nämlich bekannt geworden, was Dr. Huber und sein SPK unter Therapie verstanden.
    Im »Patienten-Info Nr.  1 « hieß es: »Genossen! Es darf keine therapeutische Tat geben, die nicht zuvor klar und eindeutig als revolutionäre Tat ausgewiesen ist … Das System hat uns krank gemacht, geben wir dem kranken System den Todesstoß!«
    Die Auseinandersetzung zwischen dem SPK auf der einen und der Universität und dem Kultusministerium auf der anderen Seite wurde immer heftiger. Die Räume wurden gekündigt, täglich rechneten die SPK -Mitglieder mit einem Polizeieinsatz. Sie fühlten sich ausgestoßen und geächtet, was die kämpferische Stimmung in der Gruppe nicht unerheblich förderte. Das SPK erhielt eine neue Struktur: Es entstand ein »innerer Kreis« von etwa zwölf Leuten, die als Therapeuten und politische Führungskader arbeiten sollten. Die Existenz des »inneren Kreises« wurde vor den übrigen dreihundert SPK -Mitgliedern und Patienten geheimgehalten. Zusätzlich wurden »Arbeitskreise« eingerichtet, so der »Arbeitskreis Funktechnik«, der »Arbeitskreis Sprengtechnik« und der »Arbeitskreis Fototechnik«, später auch der »Arbeitskreis Karate«.
    Die ursprünglich geplante Patientenselbstorganisation entwickelte sich immer mehr zu einer »revolutionären« Kampfgruppe. Auf einer Veranstaltung in Berlin erklärte Dr. Huber, es gebe eine »Identität von Krankheit und Kapital«. Mit den Sachwaltern

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