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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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später über die Namensgebung: »Mist, ein Witz.«
    Auf Seite  1 des »Konzept Stadtguerilla« stand ein Mao-Zitat: »Wenn der Feind uns bekämpft, ist das gut und nicht schlecht.« Und weiter: »Wenn uns der Feind energisch entgegentritt, uns in den schwärzesten Farben malt und gar nichts bei uns gelten läßt, dann ist das noch besser; denn es zeugt davon, daß wir nicht nur zwischen uns und dem Feind eine klare Trennungslinie gezogen haben, sondern daß unsere Arbeit auch glänzende Erfolge gezeitigt hat.«
    »Viele Genossen«, so schrieb Ulrike Meinhof, »verbreiten Unwahrheiten über uns. Sie machen sich damit fett, daß wir bei ihnen gewohnt hätten, daß sie unsere Reise in den Nahen Osten organisiert hätten, daß sie über Kontakte informiert wären, über Wohnungen, daß sie was für uns täten, obwohl sie nichts tun. Manche wollen damit nur zeigen, daß sie ›in‹ sind. Manche wollen damit beweisen, daß wir blöde sind, unzuverlässig, unvorsichtig, durchgeknallt. Damit nehmen sie andere gegen uns ein. In Wirklichkeit schließen sie nur von sich auf uns. Sie konsumieren.
    Wir haben mit diesen Schwätzern, für die sich der antiimperialistische Kampf beim Kaffeekränzchen abspielt, nichts zu tun. Solche, die nicht schwatzen, die einen Begriff von Widerstand haben, denen genug stinkt, um uns eine Chance zu wünschen, weil sie wissen, daß ihr Kram lebenslängliche Integration und Anpassung nicht wert ist, gibt es viele …
    Wir machen nicht ›rücksichtslos von der Schußwaffe Gebrauch‹. Der Bulle, der sich in dem Widerspruch zwischen sich als ›kleinem Mann‹ und als Kapitalistenknecht, als kleinem Gehaltsempfänger und Vollzugsbeamten des Monopolkapitals befindet, befindet sich nicht im Befehlsnotstand. Wir schießen, wenn auf uns geschossen wird. Den Bullen, der uns laufen läßt, lassen wir auch laufen.
    Es ist richtig, wenn behauptet wird, mit dem immensen Fahndungsaufwand gegen uns sei die ganze sozialistische Linke in der Bundesrepublik und in Westberlin gemeint. Das bißchen Geld, das wir geklaut haben sollen, die paar Auto- und Dokumentendiebstähle, derentwegen gegen uns ermittelt wird, auch nicht der Mordversuch, den man uns anzuhängen versucht, rechtfertigen für sich den Tanz.
    Der Schreck ist den Herrschenden in die Knochen gefahren …«
    In der militanten Szene stieß das Konzept auf Zustimmung.
    Till Meyer, später bei der »Bewegung 2 . Juni«, war begeistert: »Der Stern mit der MP und RAF . Und das war natürlich eine Schrift, die mich begeistert hat. Es war die Offenbarung. Es war das Konzept zum Handeln, die theoretische Begründung und auch die praktische, also: Das ist es!«

22. Der erste Prozeß
    Im Frühjahr 1971 stand Horst Mahler wegen Beteiligung an der Baader-Befreiung in Berlin vor Gericht. Mit angeklagt waren Irene Goergens und Ingrid Schubert, beide zusammen mit Mahler ein gutes halbes Jahr zuvor festgenommen.
    Das Kriminalgericht in Moabit war für den Prozeß in eine Festung verwandelt worden. Auf den Gängen und an den Ein- und Ausgängen patrouillierten maschinenpistolenbewaffnete Polizisten, vor dem Gebäude standen Mannschaftswagen mit laufenden Motoren, Beamte mit Sprechfunkgeräten, und im Innenhof warteten weitere Einheiten auf ihren Einsatz für den Notfall.
    Vor dem Gerichtsgebäude drängten sich die Sympathisanten aus der gewaltbereiten linken Szene. Ein junges Mädchen drückte vor der Fernsehkamera eines Reporters das Gefühl vieler aus: »Ich glaube, daß die Baader-Meinhof-Gruppe versucht hat, die revolutionären Ideen bis zu einem gewissen Grade durchzusetzen. Die anderen Gruppen sitzen nur da und quatschen.«
     
    Mahler und die beiden Frauen wurden, mit Handschellen gefesselt, in den Saal geführt. Der Rechtsanwalt hatte sich in der Haft wieder einen Vollbart wachsen lassen, war offenkundig gut gelaunt und begrüßte die Zuschauer im Saal mit nach oben gereckter Faust. Als sich nach zwei Monaten Prozeßdauer ein Freispruch für den Rechtsanwalt abzeichnete, kündigte der Berliner Innensenator Neubauer in der Presse eine »Geheimwaffe« für den Mahler-Prozeß an: den Auftritt eines V-Mannes des Verfassungsschutzes.
    Nur über die drei Tage vor der Festnahme Baaders durfte der Agent Peter Urbach aussagen, weitergehende Fragen von Mahlers Verteidiger Otto Schily beantwortete er nicht:
    »Haben Sie persönlich im Kreis der Linken Waffen angeboten, Pistolen, Maschinenpistolen, ja sogar Mörser mit Phosphorgranaten?«
    »Ich darf die Frage nicht

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