Der Babylon Code
beschäftigt! Nicht der Fakt an sich macht Ihnen zu schaffen. Es ist der Unglauben, ausgerechnet Sie könnten derjenige sein, der das miterleben darf. Stimmt das?«
Jacques Dufour zuckte die Achseln. »Ja, so ist es wohl.«
»Warum? Wenn Kopernikus so gedacht hätte, meinen Sie, er hätte seine bahnbrechenden Entdeckungen gemacht? Oder Crick und Watson, als sie ihr Modell der DNA beschrieben? Ich bin ja nun wirklich keine Naturwissenschaftlerin, aber wenn ich Sie wäre, dann würde ich mit großen Schritten vorangehen, den Faden, den wir in der Hand halten, abwickeln und dann voller Stolz der Welt sagen, wer das Geheimnis des Alterns geknackt hat.«
Zoe Purcell musste an Andrew Folsom denken, der Hunderte Millionen für Patente ausgab, um genau diesen Menschheitstraum zu erforschen, und lachte leise. Dann wandte sie sich wieder an Dufour. »Erklären Sie mir noch einmal, was Sie bisher über dieses Chromosom herausgefunden haben.«
»Wir sind noch lange nicht fertig mit unserer Analyse. Wir beginnen damit, die Gene zu identifizieren. Wenn das gelungen ist, werden wir verstehen müssen, wie diese Gene untereinander zusammenarbeiten. Und dann müssen wir auch noch herausfinden, ob, wie und warum diese Gene andere Bereiche der DNA beeinflussen, sie steuern. Es können, ja, ich glaube, es werden Jahre vergehen, bis wir diese Zusammenhänge verstehen.«
»Sie glauben aber nicht, dass ich so lange hier bleibe und auf die Ergebnisse warte, oder?«, giftete Zoe Purcell. »Ein unbekanntes Chromosom, dessen DNA steinalte Mäuse in junge Hüpfer verwandelt. Der Schluss daraus ist doch eindeutig! Was sagen die Untersuchungen der getöteten Maus?«
Dufour schluckte, dann setzte er leise zu einer Erklärung an.
»In den Zellkernen und den Mitochondrien sind erhöhte Mengen des Enzyms Katalase festzustellen. Die Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zellen, wandeln die Energie in Adenosintriphosphat um. Dabei produzieren sie aber auch Abfall: freie Sauerstoffradikale und aggressive Oxydantien wie Wasserstoffperoxyd. Der erhöhte Anteil an Katalase bedeutet, dass das extreme Molekül Wasserstoffperoxyd entschärft wird. Der Abfall, der beim Stoffwechsel die Zellen schädigt, also altern lässt, wird bekämpft.«
»Ist das neu?«
»Tatsache ist, dass Versuche mit dem Enzym Katalase bereits mit Mäusen gemacht wurden und erfolgreich waren. Die Lebenszeit der Tiere konnte um über zwanzig Prozent verlängert werden. Neu ist, dass hier das Enzym offensichtlich über das Chromosom in einem quasi natürlichen Prozess aktiviert wird.«
»Und was sagt Ihnen das?«
»Die ersten Vermutungen gehen dahin, dass das Y-Chromosom Gene hat, die Proteine in den Mitochondrien steuern. Mit jeder Analyse erfahren wir mehr.«
Zoe Purcell spießte die beiden Wissenschaftler mit ihren Blicken auf. Memmen, dachte sie. Aber egal! Sie war jedenfalls
entschlossen, diese einmalige Chance zu nutzen. Dazu musste sie diese Kleingeister jedoch dahin treiben, wo sie offensichtlich im Geiste noch nicht waren.
Nachdenklich ging sie vom Fenster zum Schreibtisch zurück und setzte sich wieder auf den harten Stuhl. Konzentriert blätterte sie den Stapel der Krankenakten durch, der vor ihr auf dem Tisch lag.
»Wir müssen uns noch über Ihre weiteren Versuche unterhalten.« Sie starrte Dufour kalt an. »Der Tod des Patienten Mike Gelfort macht uns Sorgen.«
»Ein Unfall«, murmelte Dufour zurückhaltend.
»Ja, ja, das habe ich schon verstanden. Aber doch sehr gefährlich für das Unternehmen. Öffentlichkeit, Konkurrenz, Neid.« Sie sah Dufour ernst an. »Können wir ausschließen, dass so etwas noch einmal vorkommt? Ich meine – sind hier Probanden, denen Ähnliches passieren könnte?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Ich stelle hier die Fragen!«, erwiderte Zoe Purcell scharf und sprang auf. Sie beugte sich nach vorn, stützte sich auf dem Tisch ab und pöbelte weiter. »Sie können sich vielleicht nicht vorstellen, in welche Lage Sie und Folsom das Unternehmen gebracht haben. Wenn nur ein Sterbenswörtchen davon nach draußen dringt, dann knallt unser Aktienkurs in den Keller. Die Staubwolke des Aufschlags würde der eines Vulkanausbruchs gleichen. Mindestens! Wissen Sie, was dann passieren würde? Als Erstes würden wir hier Ihre Bude atomisieren! Dann würden wir Sie der Meute als Fraß vorwerfen. Also: Müssen wir weitere Versuche abbrechen und zunächst einmal abwarten?«
Dufour stimmte ihr innerlich zu. Die Presse würde nicht interessieren, dass
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